: Das Bild des Anderen
Ayurveda, Bollywood, Computer. Dieses neue deutsche Abc hat das alte Medien-Mantra Kaste, Konfession, Korruption ersetzt. Wird es nicht Zeit für eine differenziertere Darstellung? Die Erfahrungen einer Inderin in Deutschland und einer Deutschen in Indien
VON NAVINA SUNDARAM
Früher endeten Gespräche über Indien unausweichlich bei Armut, Hunger, Witwenverbrennung. Weitere Assoziationen waren: Mahatma Gandhi, Kamasutra, die zahlreichen Tempel und natürlich die heiligen Kühe! Heute ist Bangalore Synonym für eine glänzende digitale Zukunft. Daneben scheint es kaum andere Themen zu geben.
In der medialen Wahrnehmung Deutschlands herrscht ein grobes Missverständnis dem indischen Subkontinent gegenüber. Die globalen Probleme werden komplexer und ernsthafter, aber die Fernsehberichterstattung retardiert in schlichte, klischeehafte Trivialität und Provinzialität.
Zwischen Januar 2001 und Mai 2005 hat der „Weltspiegel“ der ARD genau elfmal aus Indien berichtet. Ich weiß, dass Masse nicht gleich Klasse ist. Aber schauen wir uns die Themen an: Die Enttäuschung der indischen Christen nach der Papstwahl, die Nationalstraße zwischen Raipur und Bombay, Neu-Delhis U-Bahn, die „Dabba-walas“ (Lunch-Kuriere) von Bombay, das Waschen und Reparieren von Rupien-Noten in Delhi, das Eindringen von Menschenansiedlungen in Raubtierreservate, Mutter Teresas Erbe, der Lifeline-Express, eine Klinik auf Schienen und drei Berichte zur Kaschmirfrage.
Man sucht vergeblich nach einem Bericht über den staatlich geduldeten Genozid in Gujarat 2002. Nicht eine Fußnote über die phänomenalen Ergebnisse der Parlamentswahlen im Mai 2004, als die indische Wählerschaft die Bharatiya Janata Party und ihre (un)heilige „Kuh-Allianz“ von der Macht fegte. Schweigen herrscht über Hindutva, die Politik der Hinduisierung, keinerlei Berichte über den Hindu-Fundamentalismus oder die Rettung des Säkularstaates. Nichts über die gegenwärtige Regierung und ihre Politik, nichts zu dem potentiellen Werden eines Wirtschaftsgiganten.
Was früher als außenpolitische Sendung galt, ist neuerdings zu einem Hochglanz-Reisemagazin mutiert. Wenn’s gut geht, bietet es leichte, schnell verdauliche Kost, harmlos unterhaltend. Wenn’s schlimm kommt, dann wird das Magazin peinlich abgedroschen und trivial. Öffentlich-rechtliches Fernsehen ist zu einer irrelevanten Informationsquelle über Indien geworden.
Der Mann, der Indien zwischen 1957 und 1968 fest auf der westdeutschen Fernsehlandkarte verankerte, würde sich heute im Grabe herumdrehen. Dr. Hans Walter Berg, einst „unser Mann vor Ort“ in Neu-Delhi, umgeben von der Aura der Pionierzeit des Auslandskorrespondenten in jenen berauschenden Urzeiten der deutschen televisionären „Entdeckung“ Indiens, mag man vieles vorwerfen, nicht aber die Jagd nach Trivialität. Seine Stimme wurde mit dem Subkontinent in Verbindung gebracht.
Anfang der 60er-Jahre war Asien für Deutschland noch sehr fremd – ein weißer Fleck. Berg bot dem deutschen Publikum in solchen Sendereihen wie „Gesichter Asiens“ und „Asiatische Miniaturen“ eine exotische, aber auch informative Palette an. Der Auslandskorrespondent jener Zeit übernahm die Rolle des Botschafters, des Vermittlers. Stellvertretend tauchte er in „exotische“ Gesellschaften ein, um dann die Besonderheiten dieser fremden Kulturen, aufklärerisch durch die europäische Brille gefiltert, seinem eigenen Kulturkreis nahe zu bringen.
Hat sich diese Sichtweise im Laufe der Zeit wesentlich geändert? Noch im Jahre 1996 beschreibt der damalige ARD-Asienkorrespondent seine Aufgabe so: „Der Auslandskorrespondent, aus der Heimat entsandt zur Berichterstattung, hat zwangsläufig einen fremden Blick auf die Kulturen, über die er zu berichten hat. Das ist auch gut und richtig so, denn die Aufgabe des Korrespondenten besteht in der Vermittlung, der Analyse und der Übersetzung fremder Phänomene für das heimische Publikum. Das öffentlich-rechtliche Fernsehen bietet die Voraussetzungen zu unabhängiger Berichterstattung und zur Erfüllung professioneller Standards. Es liefert spezifische Informationen für diese Gesellschaft und deren Bedürfnisse, und es ist gleichzeitig in der Lage, das Fremde und Andere in seiner eigenen kulturellen Bedingtheit zu vermitteln.“ Stimmt aber dieses hehre Selbstbild des Auslandskorrespondenten in seiner Botschafter- oder Vermittlerfunktion noch?
Ist eine solche Darstellung nicht eher überheblich und anmaßend? Zumal es die Rolle der so genannten „Stringer“ in den Studios verschweigt, jener einheimischen journalistischen Zuarbeiter vor Ort, die dem Auslandskorrespondenten Übersetzungen, Informationen und Kontakte verschaffen, die aber nur allzu oft unsichtbar und unerwähnt bleiben.
In Deutschland ignorierte man lange eine Entwicklung, die seit den 80er-Jahren nicht nur in der angelsächsischen und US-amerikanischen akademischen Welt zu beobachten war. Geisteswissenschaftler haben im Verlauf der neu entstandenen Disziplinen der postkolonialen Studiengänge es sich zur Aufgabe gemacht, die Frage der Repräsentation des „Anderen“ zu erörtern. Das bedeutet nicht nur, dass immer mehr Menschen heute öffentlich das Wort ergreifen und schreiben, die ein Teil jener Völker sind, die früher ausschließlich Studienobjekte von Europäern waren: Es bedeutet vor allem eine fundamentale Infragestellung der europäischen Definitionsmacht, die jede Art von Repräsentation problematisch werden lässt.
Heute kann man den Fragen nicht mehr ausweichen: Wer spricht hier? Und wer wird zum Schweigen gebracht? Darauf haben die englischsprachigen Medien schon längst reagiert. Channel Four und BBC-World sowie CNN operieren mit indischen, afrikanischen, asiatischen und karibischen Nachrichtensprechern, Reportern und Moderatoren. Journalisten und Redakteure aus diesen ethnischen Gruppen errangen ihren unbestrittenen Platz im Mainstream-Fernsehen. In Deutschland aber, von wenigen Ausnahmen abgesehen, wurden die MigrantInnen auf Gastarbeiter-Sendungen verbannt.
Solche Fragen quälten die Korrespondenten der ersten Stunde aber noch nicht. Nach seinem Rückzug aus dem aktiven Fernsehleben schrieb Hans Walter Berg 1985 ein Buch mit dem Titel „Indien – Traum und Wirklichkeit“. Da ich hier Teil der Geschichte werde, möchte ich kurz daraus zitieren. Für eine Sendereihe „Asiatische Miniaturen“ benötigte Berg einen einheimischen Aufmacher, und er fand ihn in meiner Person. So tauchte ich hinter einem Fächer hervor, in voller indischer Montur und stammelte ein paar auswendig gelernte Sätze auf Deutsch. Das war meine erste Begegnung mit dem Deutschen Fernsehen. Es war das Jahr 1963.
Berg schreibt: „Nach diesem etwas abenteuerlichen Debüt lernte die junge Inderin in kürzester Zeit, richtig deutsch zu sprechen; sie bewährte sich als Studio-Mitarbeiterin so, dass der NDR sie zu einer zweijährigen Ausbildung in allen Sparten der Fernseharbeit nach Hamburg holte. Dort avancierte Navina in der Hauptabteilung ‚Zeitgeschehen‘ bald zur festangestellten Redakteurin. Aus der Außenseiter-Elevin ist inzwischen eine der profiliertesten Fernseh-Journalistinnen deutscher Sprache geworden.“
Das Leben, die Arbeit in Deutschland waren für mich unendlich leicht und unendlich schwer. 1964 stand mir alles offen. Der exotische Gast aus dem ewig geheimnisvollen Indien hatte Seltenheitswert. Zu dem Zeitpunkt gab es kaum Inder in Deutschland, schon gar nicht beim Fernsehen. Es war ein Ausländerbonus, den ich genossen habe, aber den ich auch als lästig empfand. Ich wollte ja dazugehören. Ich hatte den Spruch satt: Nun wollen wir es mit „anderen Augen“ betrachtet sehen. Ich wollte aus dieser geistigen Ghettoisierung raus. Weg von der Marginalisierung, rein in den Mainstream. Was ich als normal empfand, wurde zum Exotischen erklärt und umgekehrt. Immer blieb es eine ungelöste Frage von Nähe und Distanz, die mehr mit der Herkunft als mit der Qualifikation zu tun hatte.
Ein Beispiel: Ich hatte 1973 meinen ersten Film für die ARD über Bangladesch, ein Jahr nach seiner Gründung, gedreht. Eine Zeitungskritik lautete: „Es war ein zwar übliches, aber gut gebautes Feature. Der Text war ausgezeichnet, die Regie auch. Doch fehlte der Reporterin die leider notwendige Distanz zu ihrem Thema. Nach Ostfriesland sollte man die begabte Dame einmal schicken. Da kommt dann vermutlich viel heraus.“
Gegenbeispiel: Jahrelang hatte ich einen Streit mit der Redaktion von „Extra Drei“ um die Moderation der Sendung ausgefochten. Der zuständige Redakteur meinte, die deutschen Zuschauer würden mir die Moderation über den Sumpf der niedersächsischen Landespolitik nicht abnehmen. Ich könne mich einfach nicht darin auskennen, so wie ich aussehe. Diese Einstellung hat jedoch die Redaktion nicht davon abgehalten, von mir das Erbe des Dritten Reiches filmisch aufarbeiten zu lassen, die Kinder vom Bullenhusener Damm zum Beispiel oder die Geschichte des SS-Arztes Hans Münch, der als einziger von vierzig Angeklagten im Krakauer Auschwitz-Prozess 1949 freigesprochen wurde. Ich durfte auch über den Freikauf von DDR-Häftlingen durch die Bundesrepublik berichten. Hauptsache, ich war nicht zu sehen. Das Exotische, das Andere, sollte wohl nicht zum Alltag werden. Ein Kollege wurde immer ganz konfus, wenn ich in meinen Moderationen von „uns“ sprach – er wusste nie, ob ich damit uns Inder oder uns Deutsche meinte. Die indische Kunsthistorikerin Geeta Kapur nennt so etwas die „symmetrische Hierarchie von Zugehörigkeit und Nichtzugehörigkeit, die wie eine Wippe funktioniert“.
Aber es gab Nischen. Dort sollte man sich möglichst zeigen, wenn es um die Belange der so genannten Dritten Welt ging: Der „Internationale Frühschoppen“ zum Beispiel. Die pakistanische Journalistin Roshan Dhunjibhoy und ich wechselten uns als die vorzeigbaren Repräsentantinnen der anderen Welt ab. Da konnten wir nicht fremd genug aussehen. Ich kann mich erinnern, dass ich grundsätzlich nur in europäischer Kleidung erschien, zur ewigen Enttäuschung des Gastgebers Werner Höfer. Ich glaube, zu dem Zeitpunkt waren Roshan und ich die einzigen politisch agierenden Exoten aus Südasien in der deutschen Fernsehlandschaft. Eine Zeit lang mussten wir als die Stimme des Südens herhalten, mit dem anderen Blick auf Themen wie Entkolonialisierung, Neo-Kolonialismus, US-Imperialismus, Kultur-Imperialismus, Rassismus, Revolution, Le Tiers Monde, Entwicklungskritik, Nord-Süd-Konflikt, Nord-Süd- Dialog, Multinationalisierung, Eine Welt oder Globalisierung – alles Themen, die heute ein bisschen aus der Mode geraten sind oder als zu sperrig gelten und wegen des fehlenden Spaßfaktors von der Mattscheibe verbannt sind.
Eine andere Debatte gelangte, wenn auch zaghaft, in den 1980er- und 1990er-Jahren in deutsche Redaktionsstuben. Es ging um Authentizität im Sinne der amerikanischen Anthropologin Tanya M. Luhrmann: „In der akademischen Welt werden Frauen engagiert, um über Frauen, Afroamerikaner um über Afroamerikaner, Hispanisten, um über die Hispanistik zu lehren. Gayatri Spivak verurteilt das Prinzip, dass nur Gleiche für Gleiche reden können; Wissen, sagt sie, entsteht durch Unterschiede. Aber ihre Antwort auf die Frage: ‚Können Männer über Feminismus, Weiße über Rassismus, die Bourgeoisie über die Revolution theoretisieren?‘ ist ‚Ja, aber.‘“
Das Fernsehstudio Neu-Delhi, das nach dem Weggang von Hans Walter Berg 1968 auf kleiner Flamme weiterkochte, sollte 1984 wieder groß aufgemacht werden. Für den indischen Subkontinent sollte ein neuer Auslandskorrespondentenposten besetzt werden. Ich bewarb mich, da ich mir einbildete, dafür bestens qualifiziert zu sein, wurde jedoch abgelehnt. Interessant war die Begründung: Ich könnte in einem Kriegsfall zwischen Indien und Sri Lanka oder Indien und Pakistan in einen Loyalitätskonflikt geraten und würde nur Indien-freundlich berichten. Sollte ich verhaftet werden, könne weder der NDR noch die BRD mich schützen – damals hatte ich noch einen indischen Pass. Auf meinen Einwand, ich könnte jederzeit die deutsche Staatsangehörigkeit annehmen und damit dieses Problem umgehen, wurde wieder auf den Loyalitätskonflikt, in den ich geraten könnte, verwiesen.
Die Leitung des Hauses betonte die Wahrnehmung ihrer Fürsorgepflicht mir gegenüber. Von ihr kam sogar der Vorschlag, ich könne ja kündigen – wohlgemerkt nach zwanzigjähriger Festanstellung –, nach Indien gehen und versprechen, dass ich nie wieder nach Deutschland zurückkehrte – dann würde die Leitung des Hauses wohlwollend prüfen, ob sie mich als „lokale Kraft“ zu angemessenen lokalen Gehaltsbedingungen als Korrespondentin einstellen könne. Ich habe damals abgelehnt. Später bekam ich dann doch den Posten – aber das ist eine andere Geschichte.
Die Einschätzung unserer Arbeit bleibt für uns „andere Deutsche“ ein ungelöstes Dilemma. Der Medienwissenschaftler Bernd Scheffer stellte fest: „Derjenige, gegen den sich die jeweiligen Abgrenzungen richten und der zudem als der Fremde zu gelten hat, ist in einer potentiell paranoiden Situation: Er bekommt nie heraus, ob er nun einer spezifischen oder einer allgemeinen Abgrenzung unterliegt. Gewöhnliche Konflikte werden überinterpretiert als kulturelle Unvereinbarkeit, als fundamentale Unmöglichkeit, kulturelle Unterschiede zu überwinden.“
Man hat versucht, die Frage der Authentizität der Auslandsberichterstattung sowie der Autorschaft fest in redaktioneller Praxis zu verankern. Wir bemühten uns, Beiträge von JournalistInnen aus Asien, Afrika und Lateinamerika zu übernehmen. Ihre Zusammenarbeit mit den Auslandskorrespondenten wurde unterstützt und gefördert. Andere AutorInnen, andere Sichtweisen brauche das Land – davon waren wir überzeugt. Ich blieb nach wie vor als Deutsche indischer Herkunft ziemlich allein und einsam in der Redaktion. Draußen im Lande tobte die Diskussion, ob Deutschland nun eine Einwanderungsgesellschaft sei oder nicht.
1996 gab es „Mehr Farbe in die Medien – ein Projekt zur interkulturellen Öffnung von Rundfunkanstalten“ . Initiiert und unterstützt wurde das begleitende Magazin ON AIR vom Adolf Grimme Institut. Es ging um eine anderthalbjährige Fernseh- und Hörfunkausbildung von 20 Journalistinnen mit Migrantenhintergrund. Das Projekt blieb jedoch folgenlos.
Bei der Hamburger Tagung „Journalismus ohne Grenzen – 40 Jahre Weltspiegel“ im Mai 2003 fragte ein junger afrodeutscher Kollege das hochkarätig besetzte Podium: „Wenn die Medien und die deutsche Gesellschaft sich verändert haben, dann müsste eigentlich der Blick auf die Gesellschaft und aus der Gesellschaft heraus auf die Welt sich auch verändern. Und das sollte sich auch in einer Sendung wie ‚Weltspiegel‘ widerspiegeln. Nehmen wir das Beispiel von CNN oder BBC-World, wo Reporter und Moderatoren aus Asien, Lateinamerika, Arabien, Afrika gang und gäbe sind. Wäre das nicht nachahmenswert für das Deutsche Fernsehen mit seinem öffentlich-rechtlichen Auftrag?“ Die rücksichtsvoll formulierte Frage wurde vom Moderator der Runde entrüstet mit der Antwort zurückgewiesen, „es sei nicht verwunderlich, dass Deutsche für das Deutsche Fernsehen berichteten“.
Außen- und Innenseite der beiden Ebenen in Balance zu halten und dennoch im Mainstream-Journalismus zu bleiben, ist ein ehrgeiziges, aber oft zum Scheitern verurteiltes Projekt. Die indische Kunsthistorikerin Geeta Kapur schreibt in einem anderen, aber durchaus übertragbaren Zusammenhang: „Wir haben eine Rhetorik des Exils entwickelt, die Rhetorik des Hybriden, die am besten in der kosmopolitischen Welt der ‚zweimal Geborenen‘ funktioniert – die Migranten-Intelligenz aus der Dritten Welt, die sich in der Ersten Welt eingenistet hat und deren Identität ambivalent, rastlos, fragend ist, die aber in der heutigen Zeit kaum als in der Diaspora lebend bezeichnet werden kann.“
Besorgte Kollegen raten mir ständig zur Rückkehr nach Indien. Zurück zu den Wurzeln im Eigeninteresse! Ein übereifrig politisch korrekter Zeitungsjournalist sah in mir sogar ein Paradebeispiel für gescheiterte Entwicklungspolitik! „Ausbildung auf Entwicklungshilfekosten genossen, Kenntnisse eines hochindustrialisierten Landes erworben, dann in der Fremde geblieben, wo sie zwar nichts für ihr Volk, aber viel für sich selbst tun kann.“ Weiter hieß es im Text: „Wie ein bunter Paradiesvogel wirkt sie in der nüchternen Atmosphäre der ‚Tagesschau‘.“
Sprache ist verräterisch. Ich war die Projektionsfläche für tradierte Indien-Vorstellungen, zwischen Bewunderung und Herablassung, bis dann schließlich eines Tages von jenem „außerordentlichen Wesen“ nur noch ein „ordentliches“ geblieben war.
In Zeiten des globalen Satellitenfernsehens mit den Vergleichsmöglichkeiten und angesichts des hohen Bildungsstandards indischer Akademiker und Journalisten müssen bei der Ernennung der ARD-Fernsehkorrespondenten für Südasien andere Kriterien als die bekannten gelten, sonst kommen wir nie von den alten medialen Stereotypen weg. Deutschland verschläft womöglich eine grandiose Chance und verspielt sein Ansehen auf dem Subkontinent. Das Format von „Weltspiegel“ erlaubt die ernsthafte Behandlung von großen Themen in ihrer ganzen Komplexität. Man muss es nur machen wollen, als erklärte Redaktionspolitik.
NAVINA SUNDARAM, Jahrgang 1945, wuchs in Neu-Delhi, Indien, auf, wo sie auch studierte. Seit 1970 arbeitete sie beim NDR. Sie war als Filmemacherin, als Reisekorrespondentin, als Moderatorin u. a. für die Sendungen „Weltspiegel“, „Gesichter Asiens“, „Panorama“ und „Extra Drei“ tätig. Sie ist Autorin zahlreicher Dokumentationen und Berichterstatterin. Von 1992 bis 1993 war sie ARD-Korrespondentin und Leiterin des Südasien-Fernsehstudios in Neu-Delhi. Navina Sundaram lebt in Hamburg.Über die Indiendarstellungen deutscher Medien wird Navina Sundaram am Freitag, den 12. August, im Rahmen von „Import Export“ in Berlin sprechen (Programm siehe unten)