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Archiv-Artikel

Daimler: Angekündigter Streik

Falls Konzern und Betriebsrat sich ab heute nicht über die Lohnkürzung beiMercedes einigen, werden am kommenden Freitag wieder keine Autos produziert

FRANKFURT/M. taz ■ Gestreikt wurde gestern nicht in den deutschen Werken des Weltkonzerns DaimlerChrysler. Von einer „Atempause“ war bei den Betriebsräten im Stammwerk in Sindelfingen die Rede. Für den Fall einer Einigung im Streit um unbezahlte Mehrarbeit kündigte der Betriebsrat Infoversammlungen an. Sollte die Auseinandersetzung mit der Konzernleitung weitergehen, sind für Freitag wieder bundesweite Streiks bei Daimler geplant.

Dass die Proteste mit Arbeitsniederlegungen überall so heftig ausfallen würden, hatte der Konzernvorstand um den Vorstandsvorsitzenden Jürgen Schrempp nicht erwartet. Und wohl auch nicht, dass sich selbst die Beschäftigten bei Mercedes in Bremen, die von der angedrohten Verlagerung der Produktion nach Bremen und Südafrika profitieren würden, mit den Kollegen in Sindelfingen solidarisierten. „Um Kosmetik zu betreiben und die Wogen zu glätten“, so die Mutmaßungen des zweiten Vorsitzenden der IG Metall, Berthold Huber, hat der Konzernvorstand nun einen Gehaltsverzicht für den Fall avisiert, dass sich die Arbeitnehmervertreter bei den Verhandlungen in den nächsten Tagen auf den geforderten Verzicht von weiteren 300 Millionen Euro an tarifvertraglichen Zulagen einlassen sollten. Einsparungen in Höhe von 200 Millionen Euro haben die Betriebsräte in Stuttgart bereits zugestimmt. Der angekündigte Gehaltsverzicht der Vorstandsmitglieder von eventuell zehn Prozent per annum trägt für Huber nicht zur Entschärfung der Problemlage bei. Bei einem Einkommensverzicht der Manager kämen vielleicht „zwei oder drei Millionen Euro“ zusammen, rechnete Huber vor. Im Vergleich zu den geforderten Einsparungen aufseiten der Beschäftigten von 500 Millionen sei das ein „unsauberes Spiel“. Unabhängig davon sieht aber auch Huber Chancen für eine Einigung zwischen den Betriebsräten und der Konzernleitung. Eine generelle Rückkehr zur 40-Stunden-Woche werde es allerdings nicht geben. Dass eine Einigung bevorstehe, glaubt auch Konzernchef Jürgen Schrempp. „Ich bin zuversichtlich, dass wir in Kürze eine Lösung herbeiführen können“, sagte er.

Gestern noch diskutierten „gemischte“ Arbeitsgruppen kniffelige Einzelaspekte des Entgeldtarifrahmens, in dem für 2006 die volle Angleichung der Löhne der Arbeiter an die Gehälter der Angestellten vorgesehen war. Darauf wolle der Betriebsrat jetzt wohl verzichten. Die Konzernleitung dränge zudem darauf, dass den Beschäftigten ab 2006 – wegen der vielen Feiertage in Baden-Württemberg im Vergleich mit Bremen – in jeder Woche eine Stunde von ihrem Zeitkonto gestrichen wird – eine Arbeitszeitverlängerung ohne Lohnausgleich. Darüber hinaus sollen alle Beschäftigten, die mit der Automobilproduktion befasst sind, wie etwa Kantinenpersonal, von der Partizipation an den Metall-Tarifverträgen ausgeschlossen werden.

KLAUS-PETER KLINGELSCHMITT

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