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Daily Dope (570)Die Opfer des Übermenschen

Der frühere Team-Telekom-Chef Rudy Pevenage nimmt den Enthüllungsbericht über Lance Armstrong zum Anlass für jede Menge Selbstmitleid. Och, der Arme!

Opfer unter sich: Rudy Pevenage und Jan Ullrich. Bild: dpa

BERLIN dpa/taz | Jetzt haben wir es also schwarz auf weiß: Rudy Pevenage, der frühere sportliche Leiter vom Team Telekom und persönliche Betreuer von Jan Ullrich, Pevenage also, selbst tief in den Fuentes-Dopingskandal verwickelt, ist – ein Opfer. Genau. Die Umstände, Sie verstehen? Und nicht nur er, praktisch alle Radfahrer, die sich vor rund zehn Jahren mit dem Team US Postal um Lance Armstrong messen mussten, sind: Opfer.

Denn das habe der am Donnerstag veröffentlichte Tausend-Seiten-Bericht der US-Antidopingbehörde Usada über das Dopingsystem bei US Postal ja deutlich gezeigt. So kann man sich dieses Dokument der Verkommenheit einer ganzen Sportart natürlich auch drehen.

„Heute kann man sagen, dass wir alle die Opfer von Lance Armstrong und (dessen Teamchef) Johan Bruyneel waren“, klagt Pevenage also in einem Interview mit der französischen Sportzeitung L’Équipe. Armstrong und dessen Umfeld bezeichnet Pevenage als „Höllenmaschine“, deren Dominanz ihn zu verbotenen Praktiken praktisch gezwungen habe:

„Wir wollten alle das Rezept, dasselbe wie Armstrong. Wieso sind wohl alle seine Rivalen von damals, Botero, Beloki, Sevilla, Ullrich, Basso, Hamilton, Winokurow, danach gestürzt? Sie wollten es so machen wie er, aber hatten nicht die gleichen Mittel und waren vor allem nicht so beschützt.“ Dabei habe es Team Telekom in der Zeit nach dem Festina-Dopingskandal 1998 angeblich sauber versucht. Dann aber sei das Comeback Armstrongs nach dessen Krebserkrankung erfolgt.

„Wir haben gesehen, dass bei denen nichts echt war“, so Pevenage. „Wir haben gesehen, dass Armstrong übermenschlich geworden war. Was sollten wir machen, ihn sich amüsieren lassen, weil ihn keine Kontrolle überführen konnte?“ Bei der Frankreich-Rundfahrt 2001 sei Ullrich in der Form seines Lebens gewesen, „aber er konnte nichts ausrichten, Armstrong hat mit ihm gespielt, es war richtig anstößig“. Der Arme!

Der Schweizer Fabian Cancellara erwägt derweil, aufgrund der Rolle von Johan Bruyneel im Usada-Bericht, das Team RadioShack-Nissan zu verlassen, bei dem Bruyneel als Teamchef arbeitet. „Johans Name ist 129-mal aufgeführt“, sagte Cancellara der belgischen Zeitung Het Laatste Nieuws. „Ich weiß nicht, ob ich weiter mit ihm zusammenarbeiten kann.“ Bei RadioShack fahren auch die beiden deutschen Radprofis Andreas Klöden und Jens Voigt.

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2 Kommentare

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  • H
    Harald

    Möchte mich Franco anschließen. Die Einseitigkeit: Doping=Radsport, kann auch als 'gedopt' bezeichnet werden.

     

    Alle, die sich heute in der Weise wie Michael Brake in wohlfeilem Nachtreten gefallen, sollten sich mal fragen, wo sie denn alle waren, als Lance, für jeden erkennbar, die absolute Weltspitze an den härtesten Rampen wie Alpe d’Huez, Tourmalet, Galibier, mit irren Antritten stehen ließ.

     

    Seinerzeit habe ich mich über Lance geärgert, weil es für jeden Interessierten, zumal selbst Aktiven, offensichtlich war, daß er sein Dopingsystem hinter seiner Krebserkrankung bestens tarnte. Selber habe ich damals gesagt, daß es mich nicht wundern würde, wäre diese Krebserkrankung ein mit langer Hand vorbereiter Fake zum Zwecke der Dopingverschleierung.

     

    Aber jetzt, Jahre später anzukommen und Titel aberkennen? Akzeptabel wäre dieser Schritt m. E. nur, wenn auch die Verantwortlichen der UCI abgelöst und zur Rechenschaft gezogen werden.

     

    Wenn Pevenage sich heute ehrlich und authentisch zur damaligen Situation der Tour äußert, vermag ich darin nicht "jede Menge Selbstmitleid" entdecken.

  • F
    Franco

    Schon komisch das der Radsport immer als einzige Sportart hingestellt wird, in der gedopt wird oder wurde. Das in anderen Sportarten auch gedopt wird oder wurde ist nicht relevant. Schon sehr bequem sich auf einer Sportart aus zu ruhen.

    Traurig! Eigentlich habe ich mir von der TAZ etwas anderes erwartet.

    Wenn ein Herr Scholl bei der EM sagt das man den Fussballer Sowieso hätte Cortison ins Knie hätte Spritzen können, so dass Er hätte spielen können. Dann ist das kein Doping? Wie gestört.

    Seas