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Dänemark und die GrenzkontrollenBack to the 80's

Die rechtspopulistische "Dänische Volkspartei" feiert die Wiedereinführung der Grenzkontrollen mit Bacon-Chips und Rosé-Champagner. Es ist Wahlkampf.

Würde Schengen am liebsten ganz kündigen: Pia Kjærsgaard, Vorsitzende der "Dänischen Volkspartei". Bild: ap

STOCKHOLM taz | Reisende nach Dänemark weden bald wieder merken, dass es eine deutsch-dänische Grenze gibt. Am Mittwoch einigte sich eine Mehrheit im dänischen Folketing auf eine Wiedereinführung der vor zehn Jahren abgeschafften permanenten Grenzkontrollen. Offizielle Begründung: Verhinderung illegaler Einwanderung und Abwehr organisierter Kriminalität.

"Schon binnen drei Wochen" werde es die ersten sichtbaren Veränderungen an den Grenzübergängen geben, kündigte Finanzminister Claus Hjort Frederiksen an. Eine permanente Bemannung mit Kontrolle der Ein- und Ausreisenden und neue Technik, mit der alle Autokennzeichen automatisch erfasst werden können. Die Kontrollstationen, die beim Eintritt Dänemarks in den Schengen-Raum 2001 an den Straßen- und Hafengrenzen abgerissen wurden, sollen wieder aufgebaut werden.

Auf längere Sicht will man die Zahl der Zollbeamten verdreifachen und neue Überwachungseinrichtungen mit Scannern zur systematischen Kontrolle des Personen- und Güterverkehrs einrichten. Ab sofort sollen in den grenzüberschreitenden Zügen verstärkt mobile Polizei- und Zoll-Teams eingesetzt werden.

Umgerechnet fast 70 Millionen Euro will sich Kopenhagen die Aufstockung des Personals und die neue Technik in den nächsten 5 Jahren kosten lassen.

Rechtspopulisten würden Schengen am liebsten auflösen

Ausgelöst hatte die dänische Debatte über eine Wiedereinführung der Grenzkontrollen die rechtspopulistische und EU-kritische "Dänische Volkspartei". Sie hatte ihre Zustimmung zu einer von der rechtsliberal-konservativen Regierung angestrebten Reform der vorzeitigen Ruhestandregelung mit der Handhabung des Schengen-Abkommens verknüpft. Animiert hatte sie dabei offenbar die aktuelle Schengen-Debatte zwischen Frankreich und Italien.

Ihrer Partei wäre es ja am liebsten "Schengen einfach aufzukündigen", erklärte Pia Kjærsgaard, Vorsitzende der "Dänischen Volkspartei" unumwunden: "Aber nachdem die Regierung mit einem solchen Schritt ja Probleme zu haben scheint, glaube ich, wir können das auch innerhalb von Schengen lösen." Und da Rasmussens Minderheitsregierung die Stimmen der Rechtspopulisten für eine Parlamentsmehrheit braucht, konnte sich diese mit ihren Forderungen auch diesmal wieder durchsetzen.

Mehr noch: Nachdem die Einigung zwischen der Regierung und der "Dänischen Volkspartei" am Mittwoch offiziell wurde, gaben auch die oppositionellen Sozialdemokraten bekannt, die entsprechende Vereinbarung unterstützen zu wollen.

Dänemark steht vor Parlamentswahlen. Diese müssen spätestens im November, werden aber voraussichtlich noch vor der Sommerpause stattfinden. Kriminalitätsbekämpfung ist ein populäres Wahlkampfthema, dem sich auch die Linksopposition offenbar nicht entziehen kann. Nur die linksliberale "Radikale Venstre" widersetzt sich und wirft den übrigen Parteien vor "nach der Flöte des Zirkus Kjærsgaard zu tanzen".

Das Zurück zu Grenzkontrollen sei neben der praktischen Bedeutung auch zutiefst symbolisch, erklärten die Rechtspopulisten. Statt der bisherigen Tendenz zu immer mehr Überstaatlichkeit sei es ein begrüssenswerter Schritt zurück zum Nationalstaat, freute sich deren Fraktionsvorsitzender Kristian Thulesen Dahl: "Für die EU-Anhänger war ja gerade das Ende der Grenzkontrollen eine wichtige Symbolfrage gewesen."

Und von einem "großen Tag für Dänemark" sprach bei einer Feier mit Bacon-Chips und Rosé-Champagner auch die Parteivorsitzende Kjærsgaard: Es sei ihrer Partei gelungen, die Uhren "in die achtziger Jahre zurückzustellen", verkündete sie mit einem zufriedenen "Skååål!".

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18 Kommentare

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  • CK
    Caroline Kaiser

    Sind denn die dänischen Linken und Sozialdemokraten jetzt auch "Rechtspopulisten" ?

  • AF
    Andreas Fuchs

    Für mehr Reisefreiheit für Migrant_Innen, Sozialleistungsbezug für alle,

    gemeinsamer Klassenkampf mit den Wirtschaftsflüchtlingen.

    Ich kenne Tunesier und möchte mit ihnen gegen den Kapitalismus kämpfen.

     

    Keinen Wohlstand auf Kosten anderer!

  • H
    hh-kurzurlauber

    Tja, andere Länder haben auch schöne Dünen. Tschüss Dänemark, auf meine Euros (sic) müsst ihr dann zukünftig eben auch verzichten. Aber ihr findet bestimmt jemanden anderes zum kontrollieren. Notfalls kontrolliert ihr euch dann eben einfach gegenseitig an eurer tollen neuen Grenze.

  • IN
    Ihr NameBENT BJERRING

    Ihren Kommentar hier eingeben

     

    Als Däne folge Ich in die Debatte über verschärfter

    Grenzkontrolle im DK interessiert mit.

    Der Zahl von kriminellen Grenzgänger,vor allem aus

    Osteuropa, die nur einer Ziel hat, friedlieche Bürger

    niederschlagen und ausräuben zu wollen, sind laufe von die letzten 5 Jahren drastisch gestiegen.

    Täglich treffen viele Büssen aus z.B. den Tschekei hier im Kopenhagen ein, mit Passagiere die nur eine Ziel hat ,nämlich Supermärkte, Geschäfte sowie private Bürger ausplündern zu wollen. Dieser Information wird vielleicht rassistich bei einige angenommen, aber man führt nicht Grenzkontrolle ein, um friedliche EU-Bürgern zu belästigen.

    Ausserdem ist es für mich ganz klar, das die EU- Grenzen zur Drittländer gar nicht gut genug gesichert sind, wobei wir, mit eine Population über

    etwa 6 millionen, äusserst empfindlich über ein Masseneinwanderung von Nordafrika,sowie erhöhter Kriminalitet sind.

     

    Korrekt ist es abergleichzeitig ,dass es auch teilweise eine " binnenpolitsche Spiel" hier ausgeübt ist,als unserer Wahlkampf schon angefangen ist.

     

    Aber die Deutsche und andere, die uns Dänen ausschimpt, sollte ein Polizist bezw. Zöllner bei DK Grenze fragen, hier übergeht Wirklichkeit die Fantasie.

  • S
    Schengen-Schnecke

    @ karsten:

     

    Gehen Sie doch nach Nordkorea, da ist eine sichere Grenze. Ganz ohne den Reisefreiheits-Sozialschmarotzer-Terrorismus der EU.

     

    Vor allem hat es Nordkorea geschafft, das größte Übel überhaupt abzustellen:

    Menschen aus anderen Ländern, und seien es Nachbarn, zu trauen.

  • C
    Carsten

    Ich weiß echt nicht, was es da zu heulen gibt. Was ist daran falsch, Sozialschmarotzer und Kriminelle nicht ins Land zu lassen? Wenn man hier auch mal endlich soweit wäre. Schengen hat uns nichts als Nachteile gebracht. Aber der Bionade-Großbürger in seinem sanierten Jugendstilhaus kriegt davon ja nichts mit.

  • ND
    Nur die Ruhe

    An alle Jüngeren:

     

    Machen Sie sich keine Sorgen, auch vor Schengen wurde uns nicht die Einreise verweigert.

     

    Meistens wurden wir an den Grenzen sogar durchgewunken, da wir wohl nicht wirklich in die Zielgruppe fielen.

     

    Die Vorstellung, dass es ohne Euro oder Schengen ganz schlimm für uns alle wird ist albern. In den 80er Jahren waren wir alle doch wesentlich vermögender und konnten überall hinreisen.

    Der Umtausch in andere Währungen kostete zwar, aber über den Wechselkurs konnte man auch gute Schnäppchen machen.

     

    Ich erinnere mich noch. Taxifahren in Spanien mit Peseten war immer super günstig umgerechnet in DM.

     

    Heute haben wir zwar keine Umtauschgebühr, aber dafür die gleichen Preise. Heute ist Spanien teurer für mich.

     

    Also: Ein Leben ohne Euro und ohne Schengen muss nicht unbedingt schlechter sein.

  • I
    Ichschmeißmichweg

    Ich fahre häufiger nach England und da gibt es seit eh und je Grenzkontrollen. Bislang hat mich das nicht umgebracht. Was soll die Aufregung, wenn schon in Hamburg am Flughafen unendliche Kontrollen sind?

  • X
    xyz

    Vermitteln wir doch den Dänen das Gefühl, einmal selbst Migranten aus Nordafrika zu sein : Die restlichen Schengen Staaten führen eine Visumsplicht für Dänische Bürger ein. Nur so über die Sommerferien. Dann müssen sie an jeder Grenze Schlange stehen und auf Einlass bitten. Zusätzlich alle dänischen LKW's 2 tage an jeder Grenze warten lassen und ihre Ladung genauestens prüfen. Back to the eighties.

  • F
    Felix58

    Quelle: Spiegel

    Die Migranten aus nichtwestlichen Ländern kosten Dänemark 2,3 Mrd. Euro/Jahr

    und in Deutschland bestimmt ein Vielfaches.

    Wer heute den Kopf in den Sand steckt, knirscht morgen mit den Zähnen.

     

    http://www.youtube.com/watch?feature=player_embedded&v=wCmU6LRscOk#at=203

  • T
    tm78654

    Hmmm. Die Dänen wollen also mit Scannern automatisch alle Kennzeichen scannen (und speichern?). Für die in Dänemark angemeldeten Fahrzeuge bedeutet dies, dass man die Fahrzeughalter live bestimmen kann.

    Spannend wäre zu wissen, ob die Dänen auch Zugriff auf die Nummernschildregister anderer Länder haben. Und wenn nicht, bei Anschaffungskosten von über 120Mio Euro wie der Spiegel schreibt, können die DBs auch nicht mehr die Welt kosten...

     

    Das Modell wird Schule machen, wenn die Dänen uns erstmal zeigen, wie toll ihr System funktioniert und wie "transparent" sie die Grenzen gestaltet haben.

  • SL
    Sabine L.

    Hilfe! Unverschämtheit! EIn Land will seine Grenzen kontrollieren!

     

    Spätestens in fünf Jahren, wenn die Kriminalität und illegale Einwanderung spürbar zurückgehen, werden alle die weise dänische Entscheidung feiern.

     

    Ich begrüsse ausdrücklich diesen Schritt und würde mir ihn auch für Deutschland wünschen.

  • WS
    Wolfram Steckbeck

    Kein Urlaub mehr in Dänemark! (Aber wohin dann: In Berlusconis Italien, in Sarkozys Frankreich - oder vielleicht nach Ungarn??? - Europa verkommt!)

  • K
    Klara

    Hat alles Vor- und Nachteile. Lange Wartezeiten an der Grenze kenne ich zur Genüge und auch die Willkür der Beamten dort. Okay gehen wir wieder zurück in die 80iger. Fakt ist eins, ich persönlich werde nun nicht mehr groß nach Dänemark reisen. Das Land ist eh schon teuer, dann stimmt das Wetter nicht und jetzt soll ich noch an der Grenze stehen und warten, NEIN DANKE! Will ich ich einfach nicht mehr. Dann gibt es halt auch noch andere Urlaubsländer. Gut Dänemark, tut mir echt leid, aber wenn es sich so entschieden hat aus freien Stücken, müssen wir dies natürlicher Weise akzeptieren.

  • S
    Stefan

    Typischer Artilkel über sog. Rechtspopulisten. Da wird eine Zunahme des Rechtspopulismus beklagt und auch Themengebiete benannt, mit denen die diese punkten können. Schuld sind die Rechtspopulisten und ihre Anhänger. Woher jedoch kommen diese Anhänger? Liegt es vielleicht daran, dass dort Themen besetzt werden, die Andere einfach ignorieren oder verneinen?

    Mit diesen Themen braucht man sich ja auch inhaltlich nicht auseinander zu setzen. Es reicht ja, wenn man die Rechtspopulisten schmäht. Damit erübrigen sich Inhalte und Fakten. Und sollten tatsächlich auch andere Parteien eines der Themen aufgreifen, dann sicher nicht, weil es richtig ist, sondern aus Angst vor dem Wählertrend.

  • N
    Nico

    Da zeigt sich, dass "Rechts" nicht einfach nur eine normale politische Richtung ist, nein, "Rechts" bedeutet immer Rückschritte und zwar in jeder Hinsicht.

  • A
    aurorua

    Sollte diese Massnahme in den nächsten Jahren einen nachweislichen Rückgang grenzüberschreitender Kriminalität, wie z.B. Waffenhandel, Einfuhr harter Drogen, Menschenhandel, Einsickern von Wirtschaftsflüchtlingen und mafiös organisierter Verbrecher zur Folge haben, wird es nicht lange dauern und Schengen wird europaweit demontiert.

  • H
    Harald

    Dänemark kann das machen. Außerdem macht Dänemark die Grenze ja nicht dicht, sondern kontrolliert die Einreise - EU-Bürger können weiterhin frei und schnell einreisen. Ich halte nichts von den Rechtspopulisten, aber diese Maßnahme kann man nicht einfach abtun oder verurteilen, weil jedes Land immer noch souverän ist und Grenzkontrollen durchaus sinn ergeben können.

     

    Ob man nun eine Stunde an der Grenze wartet oder so durchfährt - man kommt schon schnell genug ins Ferienhaus. Daran wird es nicht scheitern. Und die Kriminellen werden sich auch die nötigen Papiere besorgen. Grenzkontrollen werden nur das Risiko für die ein wenig steigern, wirklich gegen Kriminelle bewirken können die nichts. Vielleicht wird Dänemark in zwei oder drei Jahren die Grenzen wieder öffnen.