Dänemark droht Demonstranten: "Lümmelpaket" gegen Klimaschützer
Vorm UN-Klimagipfel im Dezember in Kopenhagen will Dänemark das Demonstrationsrecht verschärfen. Selbst friedliche Sitzblockierer müssen mit 40 Tagen Knast rechnen.
Die Bußgelder für die Störung der "öffentlichen Ordnung" sollen verfünffacht werden, die Polizei soll Demonstranten bei bloßem Verdacht ordnungswidriger Absichten für zwölf Stunden in Vorbeugehaft nehmen können. Und für Straßenblockaden drohen Freiheitsstrafen von 40 Tagen ohne Bewährung. Mit diesen Maßnahmen will die dänische Regierung gegen Proteste vorgehen, die im Zusammenhang mit dem UN-Klimagipfel im Dezember in Kopenhagen erwartet werden.
"Wir stehen vor einer Veranstaltung, zu der Hardcore-Unruhestifter anreisen werden, die nur Sachschäden und Gewalttaten zum Ziel haben", begründete der rechtspolitische Sprecher der regierenden rechtsliberalen Venstre, Kim Andersen, das geplante "Lømmelpakke" ("Lümmelpaket").
Auch für "Mitläufer", die sich von Demonstrationen nach Polizeiaufforderung nicht umgehend entfernen, solle es mit Geldbußen von 400 bis 700 Euro richtig teuer werden. Andersen: "Die Lümmel sollen etwas auf die Nase bekommen, das ihnen wehtut." Eine parlamentarische Mehrheit für die Gesetzesänderungen gilt als sicher, weil außer den Regierungsparteien auch die Sozialdemokraten umgehend ihre Bereitschaft zur Zustimmung signalisierten.
Die Strafrechtsverschärfungen seien eine Bedrohung des allgemeinen Demonstrationsrechts, befürchtet hingegen Mark Ørsten, Kommunikationsforscher an der Universität Roskilde: "Als Gastgeber für eine so entscheidende Klimakonferenz sollte für die Regierung die Frage im Vordergrund stehen, wie das Recht auf Meinungsfreiheit gesichert werden kann."
Juraprofessor Vagn Greve kritisiert die erweiterte "Vorbeugehaft" als "rechtsstaatlichen Sündenfall". Und Henrik Stagetorn vom Rechtsanwaltsverband wirft der Regierung vor, den Gipfel als Vorwand zu benutzen, um Einschränkungen des Demonstrationsrechts auch nach dem Klimagipfel durchdrücken zu können: "Man will alle, die an einer Demonstration teilnehmen, über einen Kamm scheren."
Das sieht auch Lene Vennits, Leiterin des Sekretariats der Peoples Climate Action, so, eine mit Staatsgeldern unterstützte Organisation, die friedliche Protestaktionen während des Klimagipfels beabsichtigt: "Es ist zutiefst problematisch, wenn man Menschen daran hindern will, ihre verfassungsgemäßen Rechte zu gebrauchen." Nun werde als "Lümmel" abgestempelt, wer für ein Klimaabkommen demonstrieren wolle. "Viele werden sich überlegen, ob sie überhaupt von ihrem Demonstrationsrecht Gebrauch machen, denn es besteht die Gefahr, festgenommen zu werden und gleich 40 Tage hinter Gittern zu landen," so Jørn Andersen von der 12.-Dezember-Initiative.
Kritik kommt auch von Stine Gry Jonassen, Sprecherin des globalen Netzwerks Climate Justice Action. "Man kriminalisiert die gesamte globale Klimabewegung, indem man von vornherein davon ausgeht, dass es gewalttätig zugehen wird", sagt sie. Und Mads Kissow von Not Your Business äußerte, die Regierung wolle diejenigen, die anderes vorhätten, als mit einem Fähnchen am Straßenrand zu winken, zu Straftätern machen. Verschreckt würden dadurch sicher nicht die AktivistInnen, die Mitglied in einem Netzwerk sind, aber "Herr und Frau Dänemark".
Unbeeindruckt von den Kriminalisierungsversuchen der Regierung gehen unterdessen die Vorbereitungen für Aktionen zivilen Ungehorsams beim Klimagipfel weiter. Am vergangenen Wochenende trafen sich unter CJA-Regie TeilnehmerInnen aus 30 Ländern in Kopenhagens Freistaat Christiania.
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