■ Dänemark: Selbstkontrolle beim Alkoholkonsum: Männer 21 Halbe, Frauen nur 14
Kopenhagen (taz) — Skandinavische Alkoholpolitik steht für hohe Preise, beschränkte Einkaufsmöglichkeiten, keine Werbung und Verbot öffentlichen Konsums. Nicht so Dänemark, wo kontinentaler Umgang mit Alkohol Sitte ist. Die Probleme mit Alkoholmißbrauch sind hier wie da nicht zu unterschätzen.
Eine neue Kampagne soll jetzt dazu beitragen, übermäßigem Konsum entgegenzuwirken. Unter dem Motto „Auch den oberen Teil des Kopfes beim Konsumieren gebrauchen“ sollen die DänInnen eine Woche lang streng Buch führen über die genossenen Mengen. Strichkärtlein zum Ankreuzen jedes Glases gibt's bei den Postämtern, die restliche Botschaft steht auf ganzseitigen Zeitungsanzeigen- Motiv ein halb mit Bier aufgefüllter Glasschädel - und schallt aus der Glotze: Auch hier werden Glasschädel langsam mit den hochprozentigen Flüssigkeiten aufgefüllt. Die Botschaft sind zwei Zahlen: Bei Männern sind 21 Halbe pro Woche genug, bei Frauen 14. Hochprozentigerer Alkohol muß in Biereinheiten umgerechnet werden.
Was in anderen skandinavischen Ländern als Ausgeburt dänischer Freizügigkeit erscheint - in Schweden würde die Botschaft allerhöchstens lauten: kein Tropfen!-, hat im Lande selbst Unmut ausgelöst. Verschwendung von Steuergeldern, Einmischung ins Privatleben, vor allem aber: Was sind schon drei Halbe pro Tag?
Zielgruppe, verteidigt sich die Gesundheitsbehörde, sind nicht Herr und Frau „NormaltrinkerIn“, auch nicht die AlkoholikerInnen, die so nicht mehr zu erreichen sind, sondern die große Schar derer, die zwischen fünf und zehn Halbe pro Tag konsumieren und deshalb als „gefährdete“ GewohnheitstrinkerInnen mit Tendenz zum Alkoholismus einzustufen seien. Das Ergebnis der wöchentlichen Strichliste solle sie zum Nachdenken bringen. Vor allem dem Trinken am Arbeitsplatz und nach Feierabend auf dem Nachhauseweg will die Gesundheitsbehörde Einhalt gebieten. Ziel: Statt der „zu feuchten“ eine „trockene Alkoholkultur“ - was immer das bedeuten mag.
Die Halben zählen, bevor er überläuft, der Schädel, soll tatsächlich bei vielen KonsumentInnen bereits zu heilsamen Schocks geführt haben. Wie zumindest veröffentlichte Straßenumfragen glauben lassen: „Ich hatte weit unterschätzt, wieviel ich wirklich pro Woche trinke“, war eine der häufigsten Antworten.
Erst die - ehrliche - Buchführung hätte den wahren Konsum erwiesen. Wer dann aber andererseits in der Testwoche besonders zurückhaltend war, kann am Sonntagabend kurz vor Mitternacht schnell nachholen, was ihm an der behördlichen Quote von 21 für Männer und 14 für Frauen noch fehlt. Reinhard Wolff
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