■ Die US-Notenbank erhöht die Zinsen: Dämpfer für Clintons Policy-Mix
Wenn es nur nach Zahlen geht, läuft es für Bill Clinton wie am Schnürchen. 2,1 Prozent Wachstum im letzten Jahr, nur 2,2 Prozent Inflation, ein Budgetdefizit unter 300 Milliarden US-Dollar, eine Industrie, die sich mit eindrücklichen Verkaufszahlen auf dem Weltmarkt zurückmeldet – man könnte meinen, zumindest mit ihrer ökonomischen „Revitalisierung" komme Amerika gestärkt aus der Krise. Doch kaum hebt der Notenbankchef die niedrigen Zinsen um nur ein Viertelprozent – und die ganze Aufschwungseuphorie ist dahin. Lange Gesichter im Weißen Haus und noch längere bei denjenigen, die darauf gehofft hatten, daß in den USA fremdes Geld auch künftig konkurrenzlos billig bleiben werde.
Die Einschätzungen der amerikanischen Wachstumskräfte stehen und fallen mit der Zinsentwicklung. Für das Weiße Haus steht fest, daß der weitere Niedergang der Zinsen im vergangenen Jahr als Verdienst einer glaubwürdigen Budgetkonsolidierung zu werten ist. Kritiker dagegen, darunter auch die OECD-Ökonomen, sehen weiterhin viele Fragezeichen hinter dem neuen Wirtschaftswunder und halten den Rückgang der langfristigen Zinsen nach wie vor für ein Indiz der Konjunkturschwäche. Gegen die Interpretation der Clinton-Administration spricht zudem, daß sie den optimistischen Konjunkturausblick für 1993 im September bereits drastisch nach unten revidieren mußte. Und die Wall Street, deren Hausse von den mickrigen Zinsen genährt wird, war statistisch und bewertungsmäßig ohnehin schon vor Greenspans Zins-Gift längst reif für eine Korrektur.
Für die Skeptikerschar indes stimmt etwas in Clintons „Policy-Mix“ nicht, bei dem die Finanz-, Bildungs-, Handels-, Sozial- und Technologiepolitik als integrale Wachstumspolitik letzen Endes auf eine Stärkung der internationalen Wettbewerbsfähigkeit hinauslaufen.
Zu oft wird vor lauter Aktionismus über die Ursachen hinweggesehen und an den Symptomen herumgedoktert. Die staatliche Industriepolitik etwa hat, wie die OECD akribisch aufzeigt, keineswegs zu einer Produktivitätssteigerung der US-Wirtschaft geführt. Die geplante Steuer auf den immensen Energieverbrauch ließ sich das Duo Clinton/Gore ohne nennenswerten Widerstand von der mächtigen Öllobby kassieren. Und mit der aggressiven Handelspolitik, mit der die USA ihr in erster Linie makroökonomisch verursachtes Handelsdefizit aufpolieren wollen, lösen Clintons Handelskrieger nicht nur heftige Gegenwehr aus; sie riskieren auch, wie im Falle Japans, daß andere Staaten ihre Handelsströme künftig politisch und nicht nur marktorientiert ausrichten könnten. Gutgemeinte Regulationen können eben oft das Gegenteil des Erwünschten bewirken. Erwin Single
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