"Dämonen" an der Berliner Schaubühne: Wohlstandsneurosen mit Nachgeschmack

Thomas Ostermeier inszeniert Lars Noréns Drama "Dämonen" an der Berliner Schaubühne. Die Figuren leiden schwer an sich selbst, und die Regie stellt sie dabei bereitwillig bloß.

Die richtige Distanz, das ist das Problem. Man ist immer zu nah dran oder zu weit entfernt. Das gilt für die benachbarten Paare Frank und Katarina, Jenna und Tomas: Sie kennen sich kaum, ja, interessieren sich nicht einmal sonderlich für das Leben der anderen und müssen dann doch in Lars Noréns Drama "Dämonen" einen Abend miteinander verbringen, an dem die Verzweiflung aller bald wie aus Kübeln regnet. Das gilt aber nicht minder für die Inszenierung der "Dämonen" von Thomas Ostermeier an der Berliner Schaubühne. Man ist immer schon zu nah dran an der Bloßstellung der Figuren, an ihrer defizitären Sexualität und ihrer emotionalen Verkrüppelung. Hier geht nichts unter die Haut, hier fängt man gleich darunter an. Gleichzeitig schaut man ihrem Wüten gegeneinander fast unbeteiligt zu. Wohlstandsneurosen, gibt es nichts Dringenderes?

Dabei versucht die Inszenierung, Nähe und Ferne gegeneinander zu halten, das Publikum mit einem doppelten Blick sehen zu lassen: einmal sozusagen aus der Totalen auf die gesamte Szene, so wie man eben aus Zuschauerreihen auf das Bühnenbild schaut, und mittendrin in Close-Ups, von nicht sichtbaren Kameras fast durchweg parallel eingespielt: Katarina, wie sie Frank zuhört. Frank, wie er ins Waschbecken pinkelt. Die Drinks, die Katarina sich macht. Das Messer in ihrer Hand. Überall muss Sebastian Dupouey, verantwortlich für die Videoeinspielungen, seine Kameras installiert haben. Auf der visuellen Ebene ist das spannend. Aber es bringt einen den manierierten Figuren nicht näher.

Brigitte Hobmeier und Lars Eidinger spielen Katarina und Frank, kinderlos, gelangweilt, irgendwie wohlhabend, vermutlich mit Jobs, verbissen in eine Quälerei, deren Ursprung nicht mehr auszumachen ist. Die beiden Schauspieler können das eigentlich sehr gut und man besucht nicht zuletzt ihretwegen gerade dieses Stück. Lars Eidingers Rolle erinnert an die, die er letztes Jahr in Maren Ades Film "Alle anderen" spielte, zumal auch die Figurenkonstellation ähnlich ist. Dennoch entsteht kaum etwas von dem Deutungsraum, der bei Ade über die Lebensentwürfe und Unentschlossenheit einer Generation nachdenken ließ. Unmotivierte Sätze, Abwesenheiten, den eigenen Worten keinen Glauben zu schenken, das gehörte im Film wie hier auf der Bühne zu Eidingers Rolle: einer, der mit Unsicherheiten und Schwäche nicht umgehen kann und stattdessen aggressiv wird. Und doch sieht das diesmal wie eine unglaubwürdige Kopie dieses Prototyps aus.

Nicht zuletzt mag ich Norén nicht die hinterhältige Moral verzeihen, mit der er ein an sich selbst scheiterndes, kinderloses Paar gegen zwei Elterntiere hetzt. Das Glücksgefühl des Lebens mit Kindern hochzuhalten, diesen kleinen Sinnstiftern gegen die Leere, ist zwar Jenna und Tomas auch nur kurze Zeit vergönnt, bevor sie vor den gierigen Augen von Katarina und Frank mit der eigenen Demontage beginnen. Allein es bleibt der saure Nachgeschmack, dass Kinderlosigkeit der erste Baustein zum selbst gewählten Unglück ist.

Einmal zahlen
.

Fehler auf taz.de entdeckt?

Wir freuen uns über eine Mail an fehlerhinweis@taz.de!

Inhaltliches Feedback?

Gerne als Leser*innenkommentar unter dem Text auf taz.de oder über das Kontaktformular.

Bitte registrieren Sie sich und halten Sie sich an unsere Netiquette.

Haben Sie Probleme beim Kommentieren oder Registrieren?

Dann mailen Sie uns bitte an kommune@taz.de.