piwik no script img

Archiv-Artikel

Dämmen macht gut Wetter

In Wohnungsbestand und -neubau steckt enormes Potenzial für Energieersparnis und Klimaschutz. Investitionen würden den Arbeitsmarkt ankurbeln und den Anstieg der Nebenkosten bremsen. Bundesregierung will energieeffizientes Bauen fördern

von GERNOT KNÖDLER

Treffen sich zwei Planeten im Weltraum. „Wie geht‘s Dir?“, fragt der Erste. „Nicht besonders“, antwortet der Zweite, „ich hab‘ Homo Sapiens.“ „Keine Sorge“, sagt der Erste. „Das geht schnell vorbei.“ Diesen Witz erzählt Joachim Reinig, wenn er deutlich machen will, dass Klimaschutz vor allem im Interesse des Menschen liegt. Seit vielen Jahren befasst sich der Hamburger Architekt deshalb mit dem Bau von Passivhäusern. In einem Land, das ein Drittel seiner Energie zum Heizen verwendet, lässt sich damit einiges gegen die Selbstausrottung der Menschheit tun.

Unlängst sprach der Architekt auf einem Symposium der Hamburger Grünen (GAL) zum energieeffizienten Bauen. In einer Großstadt, in der 80 Prozent der Gebäude errichtet wurden, bevor es Wärmeschutzvorschriften gab, ist das Thema virulent. Auch die Bundesregierung will das energieeffiziente Bauen mit 1,4 Milliarden Euro pro Jahr fördern. Fünf Prozent der Wohnungen sollen jährlich besser gedämmt und umweltschonender mit Energie versorgt werden. Denn beim Heizen lässt sich am leichtesten fossile Energie sparen.

70 Prozent des Gebäudebestandes in Hamburg seien nach den Maßstäben der Energieeinsparverordnung sanierungsbedürftig, schätzt der grüne Abgeordnete Claudius Lieven. Bei Altbauten lasse sich der Energieverbrauch im Durchschnitt um 70 Prozent drücken. Die Heizkosten schrumpften um zehn Euro pro Quadratmeter und Jahr. „Billighäuser veralten schnell“, sagt Reinig. Während einige von ihnen 30 bis 50 Liter Heizöl pro Quadratmeter und Jahr brauchten, sei es längst möglich, 1,5-Liter-Häuser zu errichten, selbst bei Bürogebäuden.

Der Anstieg der Nebenkosten als zweite Miete wird von den Mietervereinen kritisch beäugt. Auch den Vermietern macht er zu schaffen, denn er drückt auf die eigentliche Miete. Die Kosten für Heizung und warmes Wasser seien in den Jahren 2000 bis 2005 um 45 Prozent gestiegen, sagt Michael Pistorius vom Verband Norddeutscher Wohnungsunternehmen (VNW). Zu diesem Verband gehören Wohnungsbaugenossenschaften und öffentliche Wohnungsunternehmen, die in Hamburg, Schleswig-Holstein und Mecklenburg Vorpommern insgesamt 750.000 Wohnungen vermieten. Die Heizkosten lägen derzeit bei 17 Prozent der Gesamtmiete, alle Nebenkosten zusammen bei 33 Prozent. „Die warmen Betriebskosten sind der Preistreiber“, sagt Pistorius.

Allein in Hamburg hätten die VNW-Unternehmen seit Anfang der 70er Jahre für 3,5 Milliarden Euro modernisiert – Instandsetzungsaufwendungen nicht mitgerechnet. 17 Mitgliedsunternehmen ließen ihren „Flottenverbrauch“ berechnen: Zwischen 1990 und 2000 sank ihr Heizenergiebedarf um 13 Prozent und der Kohlendioxid (CO2-)Ausstoß um 19 Prozent. Zur Erinnerung: Deutschland wollte bis 2005 ein Viertel weniger CO2 in die Atmosphäre blasen.

Die 17 VNWler stehen damit ganz gut da. Insgesamt bleibt die Sanierung trotz einer Vielzahl von Förderinstrumenten hinter dem politischen Ziel zurück. Professor Peter Braun von der Hamburger Hafencity-Universität hofft, dass der für 2007 geplante bundesweite Energieausweis die Entwicklung beschleunigt. Wie heute schon Waschmaschinen und Kühlschränke würden künftig Häuser in Energieverbrauchsklassen eingeteilt.

Wie das geschehen soll, ist noch strittig. Einig sind sich alle, dass die dadurch ausgelösten Modernisierungen gut für den Arbeitsmarkt wären: Eine Auftragssumme von 40.000 Euro, so Pistorius, sichere einen Arbeitsplatz pro Jahr.