: Da falteten manche Burschen die Hände
Burschenschafter feiern mit Wolfgang Schäuble das 175jährige Jubiläum des Wartburgfestes/ Frau Bursche hält die Laudatio/ Korporationen verspüren Aufwind im Osten ■ Aus Eisenach Damir Fras
Bei soviel männerbündischer Tradition mußte es auffallen. Zum ersten Mal durfte am Samstag eine Frau Würdenträgerin bei einem Großereignis akademischer Verbindungen spielen. Gefeiert wurde das 175. Wartburg-Fest der deutschen Burschenschafter in Eisenach. Für Katja Söll aus Bonn wird allerdings Würdenträger der bessere Ausdruck sein. Die 24jährige ist zwar eine Frau, aber sie nennt sich Bursche und will beweisen, „daß auch gemischte Verbindungen studentische Traditionen pflegen können“.
Alles Tradition. Rund 1.000 Mitglieder akademischer Korporationen aus der ganzen Republik feierten ihre männlichen Ahnen. Die waren am 18. Oktober 1817 auf die Wartburg im thüringischen Eisenach gezogen, um dort zum ersten Mal in der deutschen Geschichte mit schwarzrotgoldenen Fahnen für die Einheit des Landes und dessen Freiheit zu demonstrieren.
Dieser Zustand mußte allerdings ohne das Mitwirken der Burschen eintreten. In der ehemaligen DDR waren Korporationen verboten. Heute dagegen wollen die Korporierten wieder mitreden, wenn es um europäische Einigung geht und um die deutsche Rolle darin. Der ehemalige Bundesinnenminister Wolfgang Schäuble wurde heftigst beklatscht, als er als Festredner im großen Saal der Wartburg mit Worten das europäische Haus baute. Kanzler Kohls Grußbrief forderte „Mut“ ein. Da falteten manche Burschen die Hände. Der französische Historiker Joseph Rovan bekam beim Bierabend spontanen Applaus, sobald er das Wort Nation aussprach. Köpfe reckten sich erfreut, als Eisenachs Bürgermeister Hans-Peter Brodhun sagte: „Den deutschen Burschenschaften kommt eine ganz besondere Rolle im Prozeß des Zusammenwachsens zu.“ So entstehen an den Universitäten der neuen Länder wieder Burschenschaften mit Namen wie „Germania“, „Teutonia“ oder „Arminia“ – rund 50 sind es schon im Osten. Schmißorden kehren aus dem West-Exil an ihre Entstehungsorte im Osten zurück, auch wenn nach wie vor einige Burschenschafter von dieser Gegend lieber als „Mitteldeutschland“ sprechen. Alles Tradition.
Es gibt heute mindestens 150.000 Aktive und Alte Herren, die erstere finanzieren. Große Namen hatten und haben die Korporierten in ihren Mitgliederlisten: Die Ermordeten Herrhausen, Schleyer und Rohwedder waren dabei und zeigten „Opferbereitschaft“ und „Bekennermut“, wie es der Vorsitzende des Conventes Deutscher Akademikerverbände, Manfred Mach, mit bewegter Stimme ausdrückte. „Erziehung zur Demokratie“ nannte ein 52jähriger Jurist und „Alter Herr“ der schlagenden Burschenschaft „Alemannia“ Heidelberg ein Ziel der „Lebensbünde“. Die Bonnerin Katja Söll denkt, Verbindungen könnten „ein Stück der Anonymität an den Hochschulen wegnehmen“.
Doch der Traditionstaumel blieb nicht unwidersprochen. Die Verbindungen hätten ihre Geschichte nicht aufgearbeitet, kritisierten Mitglieder der Marburger Geschichtswerkstatt, die das Projekt „Wartburg 92“ ins Leben gerufen haben. An einem Stand in Eisenachs Fußgängerzone berichteten sie über Entgleisungen in der Verbindungshistorie: die Ermordung von 15 Arbeitern durch Korporierte im Jahr 1920, den Mitgliedsbann für Juden im selben Jahr, die Beteiligung an Hitlers Marsch auf die Feldherrenhalle 1923, die Forderung nach einer Generalamnestie für Nazi-Verbrecher 1952 und die Tatsache, daß einzelne Verbindungen noch heute dem rechtsextremen Lager zuzurechnen seien. Rund 70 Mitglieder antifaschistischer Gruppen aus Norddeutschland demonstrierten am Samstag in Eisenach gegen das Verbindungstreffen.
Daß Grenzen abgelehnt werden, daß Deutschtümeleien in ihren Reihen vorkommen, wollten auch viele Burschenschafter nicht leugnen. In den offiziellen Verlautbarungen war aber von „Toleranz“ und der „Freiheit des anderen“ die Rede.
Neben der Pflege dieser Werte war eine Hauptbeschäftigung der Korporierten am Samstag die Geselligkeit. „Kommers“ nannte sich die Mischung aus politischem Aschermittwoch und Elferratssitzung. Dabei zückten in Traditionsuniformen gekleidete Studenten die Säbel. Sie grüßten militärisch. Das Bier wurde waschkörbeweise in den Saal getragen. Frauen aber durften nicht an den Tischen sitzen. Sie hockten auf einer Zuschauertribüne und sahen den Korporierten beim Trinken und Singen zu. Alles Tradition.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen