DURCHS DRÖHNLAND: 20 Millionen für drei ältere rockmusizierende Herrschaften
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche
Was soll man von einer Band halten, die sich nach einem italienischen Glasbläsermeister benennt, aber sich konsequent der Vermatschung aller verfügbaren jamaikanischen Musiken widmet? Kann man nur großartig finden, wenn sie Messer Banzani heißen. Die sechs Herren aus Leipzig haben den Eisernen Vorhang anscheinend recht durchlässig erlebt, sonst könnten sie wohl kaum heute bereits so versiert Ska, Reggae, Dub und Ragga adaptieren, ohne sich lächerlich zu machen. Im Gegensatz zum Beispiel zu ihren Kollegen Michele Baresi, sind sie in der Lage, einen swingenden Off-Beat zu schlagen, der wirklich zum Tanzen und nicht nur zum Tapsen verleitet. Ihr Gesang ist zudem äußerst souverän, wenn auch vielleicht zu puristisch an die Vorbilder angelehnt. Die Bläser könnten allerdings etwas saftiger kommen, das machen Michele Baresi dann doch besser, dafür ist der Sänger der Berliner schlicht unerträglich, lenkt aber erfolgreich von den ungelenken Rhythmen ab. Bombassa Beed dagegen pflegen eher die selige Variante des Off-Beats mit deutlichen Northern-Soul-Einflüssen, was vor allem in den schmalzigen Melodien und dem Satzgesang zum Ausdruck kommt.
»2nd Berlin Sound Clash«: Am 10.7. Michele Baresi, am 11.7. Bombassa Beed, am 12.7. Messer Banzani, jeweils 22 Uhr im Franz, Schönhauser Allee 36-39, Prenzlauer Berg
Nichts hätte konsequenter sein können. Die drei rockmusizierenden älteren Herrschaften von Genesis verbanden sich mit den autofabrizierenden älteren Herren von Volkswagen, um fürderhin für gegenseitige Belebung des Geschäfts zu sorgen. 20 Millionen läßt sich VW das Sponsoring von Genesis kosten, und die haben dafür gar keine Probleme damit, daß neuerdings ein Auto ihres Namens ökologische Probleme verschärft. Was vor allem anzeigt, daß das so plakativ vorgezeigte soziale Gewissen der Herren Collins, Rutherford und Banks gerade mal bis kurz vor den eigenen Geldbeutel reicht. Das VW-Modell Genesis ist dementsprechend ähnlich aufregend wie die inspirierende Musik. Nicht einmal der VW-Vorstandssprecher weiß, wie viele Boxen eingebaut sind, ist sich aber sicher, daß der Sound dem »soliden Image« des Konzerns entspricht. Was ohne Zweifel auch vonnöten ist, um die Wartezeit im Stau zum Olympiastadion zu versüßen.
Am 12.7. um 20 Uhr auf dem Maifeld, U-Bahn Olympiastadion
Waren das noch Zeiten, als ein schwarzer Sänger nur ein wenig herumstöhnen und eine Frau verwünschen mußte, um Radioverbot zu bekommen. Während heutzutage Ice-T ständig alles und jeden ficken wollen kann, ohne daß sich auch nur ein einziges Zensur-Piepsen auf den Platten findet, wurde »I Put A Spell On You« jahrelang in Amerika von keiner einzigen Station gespielt. Inzwischen hat der gute Screaming Jay Hawkins das gesetzliche Rentenalter weit überschritten und produziert vor allem auf der Bühne eine gnadenlose Selbstkarikatur, die er allerdings sehr geschickt in der Balance zwischen Kitsch und Kult hält. Daß er längst Legende ist, weidet er ausgiebigst und mit Sinn fürs Pekunäre aus, ohne daß sich einer seiner Zuhörer verarscht fühlen muß. Hawkins bietet solides Rhythm&Blues-Entertainment und hat vor allem nicht den Kontakt zur Realität verloren. Daß der ganze Voodoo-Zauber heutzutage kein kleines Kind mehr zum Schwitzen bringt, hat er gut erkannt, stellt sich deshalb konsequent neben sich selbst und gibt dem teilweise mitgealterten Publikum eine gute Zeit. Wenn er in einem quietschbunten Plüschanzug auf die Bühne kommt und den mit einem Totenschädel verzierten Stock auf die Bretter knallt, hat er stets ein Augenzwinkern zur Hand, das gleichsam Screaming Jay Hawkins durch Screaming Jay Hawkins selbst kommentiert.
Am 14.7. um 20 Uhr im Tempodrom, In den Zelten, Tiergarten
Umsonst und draußen ist es immer voll, da braucht es keine Werbung. Deshalb hier nur ein paar Anmerkungen zu Rico Rodriguez, weil er mehr ist als nur ein Musiker, der auch noch ganz gut ins diesjährige Konzept der »Heimatklänge« paßt. Rico steht für fast dreißig Jahre Ska. Er trompetete schon auf einigen der ersten raren Originalaufnahmen aus Jamaika, und als er nach England auswanderte, um endlich einmal Geld zu verdienen, nahm er 15 Jahre später Coverversionen dieser Stücke mit Two-Tone-Bands wie den Specials auf. Rico repräsentiert noch heute die personelle Kontinuität und Verbindung zwischen den Erfindern und Neuerern des Ska.
15.7-19.7. um 21.30, 20.7. um 16 Uhr im Tempodrom
Manchmal schreibt das Leben schon komische Geschichten. Erinnern wir uns an Wedding Present, zwar eine der besten, aber halt auch eine der unzähligen englischen Schrammelbands, die in der Nachfolge der Smiths für eintönige Unbill sorgten. Im Jahr 1989 spielten eben jene Wedding Present für die John-Peel-Show eine der berühmten Sessions ein. Auf besonderen Wunsch des Gitarristen Pete Solovka arrangierten sie in ihrer typischen Art einige ukrainische Volkslieder um. Solovka war so von seinen Vorfahren begeistert (sein Vater war Leiter des »Ukrainian Club« in Manchester), daß er 1991 Hochzeitsgeschenke Hochzeitsgeschenke sein ließ und mit zwei Gleichgesinnten die Ukrainians gründete, um fortan Lieder im Stile der dortigen Volksmusik und in der Originalsprache aufzunehmen. Wer nun glaubt, die Ukrainians würden die Volksmusik mit der Tradition englischen Pops verquicken, der sie entstammen, muß leider enttäuscht werden. Um ehrlich zu sein, habe ich zwar keine Ahnung, wie originale ukrainische Bauern ihre Mandolinen und Balalaikas bedienen, aber der Unterschied kann nicht allzu groß sein, auch deswegen, weil unsere englische Trachtengruppe genau dieselben Instrumente verwendet. Auf jeden Fall ist festzustellen, daß sich keine bimmelnde Gitarre weit und breit finden läßt, aber das muß kein Fehler sein, schließlich haben Poems For Laila bewiesen, daß der gemeine Berliner modernisierten östlichen Klängen durchaus zugetan ist.
Am 16.7. um 21 Uhr im Huxley's, Hasenheide 108-114, Kreuzberg
Ein Bekannter vermutete letztens, als er gerade die neue Ringo-Starr-LP gehört hatte, daß man dem Berufs-Beatle im Studio bei der Aufnahme seiner Gesangsparts die Ohren zugehalten hat. So wunderbar daneben könne eben nur er singen, und die illustre Kapelle, die sich zum Zwecke des programmierten Comebacks zusammengetan hatte, könne da noch so versiert und gut spielen, Ringo bleibt halt doch Ringo. Und wer gibt nicht gerne zu, daß »Octopus' Garden« zwar immer von allen aufgrund der offensichtlichen Einfältigkeit verdammt, aber eben doch geliebt wurde? Zur All Starr Band gehören übrigens neben anderen die nicht gänzlich unbekannten Joe Walsh, Dave Edmunds, Nils Lofgren und Todd Rundgren.
Am 15.7. um 20 Uhr im Sommergarten in den Messehallen
Thomas Winkler
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