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DURCHS DRÖHNLANDVerheiratet seit 44 Jahren

■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und überflüssigsten Konzerte der kommenden Woche

Aus dem einen oder anderen wird dann doch manchmal etwas ganz anderes. Es war einmal: The Teens, die bundesdeutsche Antwort auf den programmierten Erfolg US-amerikanischer Kinderbands. Mit der entsprechenden Unterstützung von Bravo und anderen einschlägigen Halbwüchsigenmagazinen gelangen ihnen Mitte der 80er ein paar mittlere Hits. Alex Möbius hat von damals noch die klassische Popper-Locke und seinen Bass behalten, zupft diesen aber inzwischen bei The Big Light, und diese wollen wiederum eine völlig andere Klientel ansprechen. Die große Weite ist ihr Thema, die großen Gefühle, die mit dramatischen Tönen und pathetischen Melodien vertont werden. Da wo sich die urbane Sehnsucht Bahn bricht, sind sie zu Hause. Als echte Berliner entstehen da natürlich veritable Second-Hand-Sounds, die sich auf Second- Hand-Gefühle stützen. Aus dem Häusermeer in die Wüste, aus dem Hinterhof auf die Holzdielenveranda, vom Bürgersteig auf die Düne. Wo die Stimmen zu süßlich werden, setzen The Big Light eine ausgedachte, bemühte Härte dagegen, die reichlich unehrlich wirkt. Trotzdem sind sie das richtige für den Sommer, wo verklebte Ohren klasse zu schweißig pappigen T-Shirts passen. Und vor allem für einschlägig bekannte selig- schöne Melodien sind sie immer gut.

Am 31.7. um 23 Uhr im Zelt an der Philharmonie, Matthäikirchplatz, Schöneberg

Jacky ist einer von diesen berühmten Typen, diesen richtigen Kerlen, die es in letzter Zeit so selten gibt, wenn man Franz Beckenbauer und Paule Breitner Glauben schenkt. Jacky & the Strangers heißt die Band, die Gitarre nennt er Jenny, eine Marotte die von Bo Diddley abgeschaut sein könnte, aber Jackys Ehe ist auch schon 44 Jahre alt. In diesen Tagen wird er 65 und abgesehen davon, daß er wahrscheinlich sowieso der einzige wahre, echte, übriggebliebene Rock'n' Roller der BRD ist, ist er ganz sicher der älteste, der noch auf der Bühne steht. Elvis Presley hat ihm — noch zu Lebzeiten versteht sich — zu einem Auftritt gratuliert, vor ein paar Jahrzehnten war er so groß, daß die Beatles bei ihm als Vorgruppe spielten. Die Zeiten sind danach, sich auf ältere Werte zu besinnen, auch wenn das in diesem Fall nur bedeutet, sich dem alten, puren, reinen Rock 'n' Roll hinzugeben, noch mal das Tanzbein zu schwingen und mit Jacky zu feiern.

Am 31.7. um 20.30 Uhr in der UFA-Fabrik, Viktoriastraße 13, Tempelhof

Vormals waren die Briten Rhyme & Reason eine durchaus flotte Folk-Band, die sich der auf der Insel so verbreiteten Suffseligkeit verschlossen hatten, statt dessen plakativ ihre Texte über spöden Gitarrenklängen deklamierten. Inzwischen sind sie aber — gute zwei Jahre zu spät — auf den jetzt doch ziemlich lahmenden Rave- Zug aufgesprungen. Aber auch das können sie, wenn sie auch nicht ganz die rotierende Ekstase aus Manchester hinbekommen, sondern eher eine ausgedünntere Variante, die weniger aufs Psychedelische, sondern mehr auf eine hübsche Melodie setzt. Das locker flockige Geflecht ist allerdings den im Moment herrschenden Temperaturen besser angepaßt als der schwitzende Drogentaumel. Sauber und gut verdaulich, Rhyme & Reason könnten durchaus die Rolle der leider verblichenen Big Dipper als meine Lieblingssommerband übernehmen.

Am 1.8. um 22.30 Uhr im Knaack, Greifswalder Straße 224, Prenzlauer Berg

Eigentlich aus Hamburg ist Vince Weber, aber Dauergast in Berlin. Kein sehr kleiner bis mittlerer Jazzkeller, den er noch nicht bespielt hat (auch eine Frage, die mal zu klären wäre, warum sich Etablissements für diese Musik vornehmlich im Souterrain finden). Der gute Vince spielt den guten Boogie, wie er immer noch in jeder guten Redneck-Kneipe der USA erklingen dürfte. Sein Honkytonk-Pianospiel dürfte das beste in Deutschland sein, bleiben halt Zweifel, wer heute noch solche Musik hören will. Wie die zahlreichen Auftritte von Weber belegen, wohl noch eine ganze Menge. Und der fußstampfende Boogie-Rhythmus ist ja auch was fürs gelungene Live-Erlebnis.

Am 2.8. um 20.30 Uhr im Flöz, Nassauische Straße 37, 1-31 Thomas Winkler

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