DURCHS DROEHNLAND: Auf dem Weg zum Gesamtkunstwerk
■ Die besten und schlechtesten, die wichtigsten und unwichtigsten Konzerte der kommenden Woche
Es gibt Bands, die haben langweilige Namen, die gerade darum sehr treffend sind. Bad Fun krochen vor einiger Zeit aus einem Westberliner Keller, spielten einen äußerst durchschnittlichen Hard Rock und wurden mangels stadtinterner Konkurrenz zu neuen Hoffnungsträgern erkoren. Daß das Stimmchen der Sängerin bei den obligatorischen Schreien arg zitterte und die Gitarristen extrem unsauber und wenig auf den Punkt spielten, fiel dann erst im Laufe der Zeit auf. Bad Fun sind eben einfach Rock, ohne die richtige schweinische Klasse zu haben, die man braucht, um mehr als noch eine Rockband zuviel zu sein.
Am 7.7. um 24 Uhr im Niagara, Gneisenaustr.58, Kreuzberg, immerhin bei freiem Eintritt
Letzte Woche spielte der Guru Rudi Portrudi (oder zumindest sein Alter ego Link Portrudi) bereits in der Stadt. Dessen Fuzztones waren vielleicht nicht unbedingt die beste Band des Mitte der 80er Jahre stattgefundenen Sixties-Revival, aber sicher die spektakulärste und wichtigste, und am besten in der Lage, die Imagelüge aus dreckigen Comics, dreckigen Haaren und dreckigen Flüchen überzeugend zu verkörpern. Die Fuzztones spielten immer seltener gute Musik, waren aber immer öfter Vorbild für andere. So auch für die Electric Family aus Frankfurt, die inzwischen aber auf ihre original Revival-Orgel verzichtet haben, um fortan hauptsächlich die Gitarren durch hoffnungslos aufgedrehte Verstärker zu jagen. Zur Beschreibung hierfür wurde das Wort »bratzen« erfunden, und immer noch ist kein treffenderes gefunden. Die Electric Family hat sich in den letzten Jahren, nicht nur durch die Abschaffung der Orgel, zwar vorsichtig, aber konsequent vom reinen Abgekupfere der Sechziger entfernt. Angenähert hat man sich an den Sleaze- und Grungerock der ausgehenden 80er, und an den hier so häufig fallenden Jahreszahlen kann der Leser unschwer erkennen, daß Electric Family nicht unbedingt als Innovatoren berühmt werden wollen. Abgesehen vom etwas peinlichen Macho-Gehabe sind die Frankfurter nicht mal schlecht, ein bißchen zum Lachen zwar, aber halt echte kernige Rocker, bei denen man nicht nach dem Warum fragen sollte.
Am 8.8. um 22.30 Uhr im Knaack, Greifswalder Str.224, Prenzlauer Berg
Techno und vor allem die härtere, typisch berlinerische Abart Tekkno war zum Großteil entstanden durch eine Annäherung zweier an sich gar nicht zueinander passen wollender Trends. Die Dark Rocker der mittleren 80er verbündeten sich mit den House-Insassen, die das ausgehende Jahrzehnt beherrscht hatten. Von den einen kam der hart pulsierende Rhythmus, von den anderen die gründlich düstere Stimmung, die wunderbar mit der Kälte der Maschinen harmonierte. Eigentlich nicht zu harmonisieren war aber das todessehnsüchtige, zutiefst verzweifelte Weltbild auf der einen und der alles vergessende Wille zum Spaß auf der anderen Seite. Beides wurde aber auf der Ebene der sinnstiftenden Trance miteinander verbunden. Während sich der Großteil der Tekkno-Recken inzwischen wesentlich positiveren Klängen zugewandt hat, bilden nun die originalen Gruften die letzte Bastion der heimeligen Pseudo-Selbstzerstörung.
Herausragende Vertreter werden sich beim 1. Gothic Open Air auf der Insel versammeln. Placebo Effect sind dabei eher verspielt, geben sich aber immer wieder kleinen blubbernden Exkursen hin und schichten nicht ganz so brachial Soundwände, wie man es gewohnt ist. Ihre Beats sind zwar bleischwer, aber die Tasten und Samples liegen oft fast sphärisch über der mal lakonischen, mal verzweifelt röchelnden Stimme. Ihr Sound ist zwar dicht, aber manchmal so piepsend, als käme er von Kinderinstrumenten.
Mehr dem Gesamtkunstwerk verpflichtet gibt sich Brenal aus dem Ruhrgebiet, der seine Platten unter dem Namen Calva Y Nada herausgibt. »Techno-Oper« ist ein gerne benutzter Begriff in diesem Zusammenhang, zudem dreht der Mensch auch noch Filme, die er bei den Konzerten vorführt.
Von den wichtigen Bands der bundesdeutschen Szene fehlt eigentlich nur Das Ich, dafür sind die aufstrebenden und ebenfalls deutsch singenden Relatives Menschsein zugegen. Wer auf der Suche nach Sinnüberfrachtetem ist, könnte hier fündig werden. Relatives Menschsein sind fast völlig unsinnlich. Über langsam dräuenden Keyboardklängen deklamieren die Stimmen hochdramatische Gedichte, nur selten setzt ein schwerer, rotierender Marschrhythmus ein. In seiner Spröde erinnert das Ganze durchaus an die Einstürzenden Neubauten, ist aber im Vergleich zu deren harscher Metallität wesentlich filigraner und weicher.
Noch dabei sind Rosengarten und Ghosting, bei Regen blühen die schwarzen Blumen im Inneren des Clubs auf der Insel.
Am 8.8. ab 17 Uhr auf der Insel, Alt-Treptow 6, Treptow
Auch nach der Wende ist im Osten der Republik eine typisch deutsche Tradition nicht ausgestorben. Der Deutsche kann sich nicht einfach amüsieren, er muß seinem Tun einen Sinn geben. Das heißt, daß man nicht einfach tanzen darf, weil die Musik groovt, daß man nicht einfach trinken darf, um betrunken zu werden, und einfach lachen darf ohne künstlerischen Anspruch. Dies führte unter anderem dazu, daß ab 1989 jede neu eröffnete Kneipe oder Café im Osten der Stadt auch gleich zur Galerie erklärt wurde, man hinter dem entschärften Todesstreifen keinen Alkohol zu sich nehmen konnte, ohne beim Heben des Bierglases auf ein Gemälde zu starren. Auch in der Musik blieb diese krampfhafte Suche nach dem Sinn nicht ohne Folgen: Bands wie Feeling B oder Pankow verbanden ihre Live-Auftritte oft mit Auftritten befreundeter Farbwerfer, bei Herr Blum ist dies bereits im Bandkonzept intergriert: Vater Wagner malt heftig, gestisch, jung und wild, Sohnemann Wagner schlägt dazu heftigst atonal die Gitarre. Auch für den Saitenkünstler Yref ist die Gitarre nicht einfach ein Instrument zur Erzeugung von Melodien, sondern ein quasi lebender Klangkörper, der mit allerlei Tricks zum Atmen, zu neuen Klangfarben gebracht wird, ob dies nun verrostete Saiten oder verstimmte Stimmungen sind. Ähnliches gilt für Taegk, ein Percussionduo, das extra eine Maschine erfunden hat, die es in die Lage versetzt, andere Sounds als die klassischer Trommelinstrumente rhythmisch zu verwenden. Im Vordergrund steht zwar immer noch der Groove, doch bisher in Rhythmen Ungehörtes gibt Taegk den Reiz.
Die drei Projekte (die Bezeichnung Band verbietet sich) Herr Blum, Taegk und Yref sind nicht nur freundschaftlich miteinander verbunden, sondern auch schon des öfteren als »Art-Attack« gemeinsam aufgetreten. Und das wohlgemerkt nicht hintereinander, sondern parallel auf einer Bühne. Und etwas parallel erscheint einem hin und wieder auch das Eben-nicht-Zusammenspiel, das aber oft so gewaltig gewalttätig aufeinanderprallt, daß genau dies zum Zusammenspiel führt. Die Verbindung Kunst und Musik muß nicht immer wie in den Kneipen-Galerien bemüht sein, kann vielmehr aufregend — und vor allem für Westler — nahezu unbekannt sein.
Am 13.8. um 20.30 Uhr im Loft, Nollendorfplatz, Schöneberg
Thomas Winkler
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen