DORIS AKRAP LEUCHTEN DER MENSCHHEIT : Internatio- nalisierung verpasst
Wiederholt hatte Westerwelle vor der Wahl festgestellt, dass Deutschland eine „tolerante Gesellschaft“ sei und das Land für seine „kulturelle Vielfalt“ gelobt. Doch der Auftritt bei seiner ersten Pressekonferenz nach der Wahl wurde in nichtdeutschen Medien als Signal eines neuen „furor teutonicus“ gedeutet.
Westerwelle hatte die Bitte eines BBC-Journalisten abgelehnt, seine Frage auf Englisch stellen zu können. In Deutschland sei es üblich, Deutsch zu sprechen und überhaupt: „Das ist Deutschland hier“, sagte Westerwelle grinsend. Dass denen, die nicht Deutsch sprechen, etwas mulmig wurde und sie sich an Westerwelles mantraartige Beschwörung des „deutschen Volkes“ vor und nach der Wahl und an Jürgen Rüttgers (CDU) rassistischen Tiraden gegen Rumänen und Chinesen während des Wahlkampfs erinnerten, ist nicht ganz unverständlich.
Furor? Stahlhelmflügel? Nationalistische Wende? Bei aller Liebe zur Vorsicht vor den Deutschen, aber dafür steht Westerwelle wohl eher nicht. Vielmehr spricht aus seinem Auftritt Borniertheit, Provinzialität und der Stolz eines Kleinunternehmers, der sich endlich einen Sportwagen leisten kann.
Westerwelle aber bleibt mit derartiger Beschränktheit hinter der Entwicklung zurück, die einen nicht geringen Teil der alten und neuen FDP-Wähler längst gemacht haben: die „Internationalisierung von Kommunikationsprozessen, Fähigkeiten und Strukturen, die in der Lage sind, gleichzeitig globalen und lokalen Anforderungen gerecht zu werden“. So kann man es in der aktuellen Ausgabe der Zeitschrift Revue für postheroisches Management (Carl Auer Verlag, September 2009) lesen, die sich den transnationalen Utopien des neuen Unternehmertums widmet.
■ Die Autorin ist Kulturredakteurin der taz Foto: privat