DORIS AKRAP LEUCHTEN DER MENSCHHEIT : Ernstfall, es ist schon längst so weit
Kommunisten auf der Akropolis, brennende Banken und drei tote Bankangestellte in Athen, auch unter deutschen Finanzexperten brach Panik aus: „Das ist der Ernstfall“, sagte Bundesbank-Chef Axel Weber am Mittwoch. Der Zweifel wächst, dass die griechische Regierung die wirtschaftlichen Sparmaßnahmen politisch durchsetzen kann.
„Ernstfall, es ist schon längst so weit, Ernstfall, Normalzustand seit langer Zeit“, lautet der Refrain eines Songs der Band Fehlfarben. Die Proteste in Griechenland richten sich nicht nur gegen die aktuellen Sparmaßnahmen, sondern gegen die Korrumpierbarkeit und den Nepotismus der Politikerkaste. Diese Missstände sind der Ernstfall, der Normalzustand seit langer Zeit ist, nicht nur in Griechenland.
Deutschlands Chef-Finanzaufseher Jochen Sanio sprach angesichts der Ereignisse in Athen von einem „Angriffskrieg gegen die Euro-Zone“. Mit den Kriegern meinte er jedoch nicht die militanten Molotowcocktail-Schmeißer, sondern die Spekulanten, die mit der Pleite der Griechen ein Vermögen verdienten. Sanio plädierte für einen „Gegenangriff auf den internationalen „Schattenfinanzsektor“.
Doch der „Schattenfinanzsektor“ besteht nicht nur aus den Spekulanten, diese tun im Übrigen nichts Illegales, höchstens etwas äußerst unehrenhaftes. Illegal hingegen ist Korruption und jene Schattenwirtschaft, die nicht nur in Griechenland, sondern weltweit herrscht und wo Normalzustand seit langer Zeit ist, dass sich beispielsweise Banken vor dem Kollaps mit illegalen Drogengeldern retten. (Nachzulesen unter anderem bei Jürgen Roth: „Gangsterwirtschaft“. Eichborn 2010).
Die Finanzchefs sollten also lieber statt der Spekulanten auch den Normalzustand in der Euro-Zone angreifen, der seit langer Zeit ein Ernstfall ist.
■ Die Autorin ist Kulturredakteurin der taz Foto: privat