DIE WIRKUNG VON BESCHÄFTIGUNGSPOLITIK IST NUR SCHWER ABSEHBAR : Das Regengott-Prinzip
Aus der Expeditionsgeschichte kennt man das Phänomen: Weiße, die bei Naturstämmen auftauchten zu einem Zeitpunkt, als es zufällig anfing zu regnen, wurden von den Eingeborenen umgehend als Regengötter verehrt. Wer hingegen auf der Bildfläche erschien, wenn sich Katastrophen ereigneten, dem wurden sofort schlimme Hexenkräfte zugeschrieben. Gleichzeitigkeit mit Kausalität zu verwechseln – das ist magisches Denken, das auch die moderne nationale Politik beherrscht. Das eigene magische Denken der Gleichzeitigkeit zu überprüfen ist also ein ausgesprochen lohnenswerter Akt für die WählerInnen, besonders so kurz vor dem 18. September.
Bundeskanzler Gerhard Schröder (SPD) profitierte anfänglich vom Regengott-Prinzip, als die Erwerbslosenzahl in den ersten beiden Jahren seiner Amtszeit sank, bedingt durch demografische Entwicklungen und konjunkturelle Verläufe. Später dann, als die Arbeitslosigkeit wieder in die Höhe kletterte, wurde auch das Schröder zugeschrieben. Man darf vermuten, dass es einer CDU-Regierung in den vergangenen Jahren nicht anders ergangen wäre.
Weil die Kausalitäten zwischen Politik und Wirtschaft nun mal komplex sind, suchen aber nicht nur die WählerInnen nach einfachen Lösungen. Die Politik betreibt ihre Beschäftigungspolitik nach einer Art Trial-and-Error-Verfahren, fußend auf dem jeweils aktuellen Glaubenssatz. Derzeit beispielsweise heißt es, die Sozialversicherungsbeiträge müssten runter, damit neue Jobs entstehen. Die CDU will den Beitrag zur Arbeitslosenversicherung senken, sowohl für die Beschäftigten als auch für die Unternehmer.
Die Grünen wollen nun die Sozialbeiträge für alle unterdurchschnittlich Verdienenden mindern und staatlich kofinanzieren. Ob bei diesen gigantischen Manövern tatsächlich unterm Strich neue Jobs entstehen, ist nicht zu sagen. Sichere Kausalitäten gibt es nicht. Man kann am Wahltag also genauso gut die Partei wählen, deren Werte einem am sympathischsten sind, ganz ohne Magie. Regengötter gibt es nicht. BARBARA DRIBBUSCH