DIE WELTAUSSTELLUNG IN HANNOVER FEIERT HALBZEIT: Anschwellender Bocksgesang
„Auf der Expo ist es wie beim Fußball. Die entscheidenden Tore fallen erst in der zweiten Halbzeit.“ Das leuchtet ein, das sitzt. So nonchalant und schmunzelnd versuchte der Expo-Geschäftsführer Reinhard Volk gestern die desolate Halbzeitbilanz der Hannoveraner Veranstaltung einfach unter den Tisch zu kehren.
Und Expo-Generalkommissarin Birgit Breuel zog zunächst Floskeln aus dem Flugbetrieb heran, um anschließend das übliche esoterische Todeserfahrungsvokabular zu bemühen: „Es fing an mit einem Traumstart, dazwischen gab es einige Turbulenzen, und nun wird das Licht immer heller!“
Dem hilflosen Geschwätz vom „Silberstreif am Horizont“ respektive einem „Licht am Ende des Tunnels“ stehen ganz konkrete, ziemlich rote Zahlen gegenüber: Mehr als 17 Millionen Gäste hätten seit Expo-Beginn am 1. Juni das Ausstellungsgelände besichtigen sollen. Tatsächlich fanden bis zum Dienstag gerade mal 6,78 Millionen Besucher den Weg nach Hannover. Und weil die mangelnde Quantität schon jetzt ein enormes Defizit ankündigt, wird eben stolz auf die besondere Qualität mancher Besucher hingewiesen: 40 Staatspräsidenten sollen sich bis zum 10. August die Ehre gegeben haben, dazu noch 28 Regierungschefs, 168 Minister und mindestens ein Prinz.
Eine „kurze Finanzdebatte“ habe es zwar geben müssen, räumte Breuel ein, aber nun werde man sich wieder „den Inhalten und unseren Gästen widmen“. Das Pfeifen im Walde geht also weiter, schwillt an, wird zum Trommeln: „Es wird im Stundentakt auf allen Bühnen getrommelt“, sagt Expo-Sprecher Andreas Gloggengießer. Für die Aktion „Fremde werden Freunde“, gegen Rechtsradikalismus. Die Ausstellung der Rekorde bietet nämlich auch die größte Trommel der Welt, um umgehende Politgespenster zu vertreiben. Seit Gewalt von rechts wieder als virulent wahrgenommen wird, präsentiert sich die Expo als gebaute, praktizierte Utopie vollendeter Völkerverständigung – ein aseptisches, größenwahnsinniges Legoland.
Die entscheidenden, psychologisch wichtigen Tore fallen bekanntlich immer kurz vor der Halbzeit. Und da hat sich die Expo schon genug Eigentore geleistet. ARNO FRANK
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