DIE WAHRHEIT: Ab- und ausgepfiffen!
Warum hört man gar nichts mehr vom pfeifenden Orang-Utan Ujian aus dem Heidelberger Zoo? Im Sommer 2009 war das Medienecho auf seine Begabung groß ...
... wohl weil es weltweit nur vier pfeifende Orang-Utans geben sollte.
Die Geschichte, dass der pfiffige Affe einen verspäteten Gemüselieferanten per Pfiff auf sich aufmerksam machte, wurde in allen Zeitschriften gern abge-druckt. Sein medienaffiner Tierpfleger Kowalsky vermutete im Wiener Standard, dass eine pfeifende Putzkolonne oder die Mönchsgrasmücken der Umgebung die Pfeifaktivitäten des Menschenaffen ausgelöst haben könnten. Der umtriebige Kowalski nahm schließlich sogar eine CD mit Pfeifgeräuschen des Orang-Utans auf. "Ich bin Ujian", hieß sie, und darauf ist der gleichnamige Star in fünf Variationen zu hören, darunter eine House-Version, man könnte auch sagen: Affenhouse-Version.
Wer das YouTube-Video des pfeifenden Affens anklickt, wird allerdings eher an Loriots "Sprechenden Hund" erinnert, als an einen Kunstpfeifer. Doch die Zoosprecherin versichert: "Inzwischen wird das Pfeifen melodiöser". Glücklicherweise, denn Ujian soll bis zu zwei Stunden ununterbrochen gepfiffen haben. Auch seine Zellengenossin Puan hat mittlerweile angefangen zu pfeifen, jedoch nicht in der Öffentlichkeit. Seit seinem kometenhaften Auftauchen in der Presse, stagniert die Pop-Karriere des Orang-Utans Ujian allerdings merkwürdigerweise.
Sollte die interessierte Presse vielleicht mitbekommen haben, dass Pfeifen in der Tierwelt gar nicht so selten ist? Abgesehen von der allzeit pfeifenden Vogelwelt, kann man in der Tierwelt auch pfeifende Heringe und plaudernde Dorsche hören. Die Fische benutzen ihre luftgefüllten Schwimmblasen quasi zum Bauchreden. Aber auch die Borstenhörnchen im Etoscha-Nationalpark Namibias pfeifen wie die Wasserkessel. Der Große Tennek pfeift bei Gefahr wie der Mensch im Wald. Auch der erstaunliche Maxwell-Ducker pfeift, wenn er nicht Pflanzen, Ameisen und zwitschernde Jungvögel verspeist. Plumploris pfeifen, Pfeifhasen von Haus aus, und sogar die Baumkängurus in West-Papua tun es. Dafür werden sie von den eingeborenen Moni nicht gejagt, weil diese die pfeifenden Kängurus für ihre Ahnen halten. Solange sie das glauben, pfeifen die Baumkängurus natürlich aus vollen Backen.
Selbst die anmutige Windspielantilope Dikdik pfeift, nur die Eritrea-Dikdiks gelten als verschwiegen. Weiße Wale pfeifen, Otter und Kleine Pandas ebenfalls. Delfine pfeifen sogar ihren Namen. Orcas und Weddell-Robben pfeifen. Und wenn der Pfiff des gefürchteten Seeleoparden in der Antarktis ertönt, bleiben die Taucher besser im Boot. Die Zweifarbige Fledermaus hat einen Pfeifruf wie ein quietschendes Kinderwagenrad, berichtet ein Linzer Forscher, und unser kleiner Gartenbilch pfeift und keckert nach Kräften. Die dicke Seekuh tuts, und wenns im Terrarium pfeift, ist es meist das Meerschweinchen.
Bei Pferden ist Pfeifen allerdings meist krankheitsbedingt und kommt von der pfeifenden Lunge her und wirkt wie das berühmte "Pfeifen auf dem letzten Loch". Nur die Krone der Schöpfung, der Mensch, pfeift kaum noch. Genossen im 19. Jahrhundert in Österreich Kunstpfeifer wie die Schrammel-Brüder und Josef Bratfisch noch hohes Ansehen, schwand die Bedeutung des Pfeifens langsam. Die Amsel von Babelsberg, Ilse Werner, war die letzte große Kunstpfeiferin. Seit aber ihr letzter Pfeifton verklungen ist, hat das Pfeifen leider eine wachsende negative Bedeutung bekommen. Das liegt vor allem am Whistleblower, dem Verpfeifer. Kein Wunder, dass Orang-Utan Ujian nicht mehr aus vollem Herzen pfeifen mag!
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