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DIE WAHRHEITLIEBE ELTERN,

Kolumne
von Eugen Egner

vielen Dank für die Wurst zum Ersten Advent.

v ielen Dank für die Wurst zum Ersten Advent. In diesem Jahr sieht es ja wieder nach so einem billigen, lahmen Winter aus wie damals, als der Schützenverein den Klerus unterwandert hat. Im Gegensatz dazu erinnere ich mich noch genau an all die stark überwinterten Jahre meiner Kindheit und habe denn auch ein Wintergedicht geschrieben. Hier ist es:

Winter.

Unpraktische Jahreszeit.

Ich finde, so etwas kann man auch in einem Sommer wie dem jetzigen gut lesen. Was mir noch fehlt, ist ein Verlag, der es zu für mich vorteilhaften Konditionen veröffentlicht. Möglicherweise wäre ja eine literarische Karriere etwas für mich?

Neulich versuchte ich, komisch zu sein („Ein Handtuch trocknet das andere ab“), brachte damit aber nur alle gegen mich auf. Witze scheinen nicht meine Stärke zu sein, das Ernste liegt mir doch mehr.

Macht Euch deshalb bitte keine Sorgen um mich, ich kann jederzeit Beruhigung und Trost aus den Naturwissenschaften ziehen. Mein Studium geht gut voran, ich sehe dem Großen Latinum schon mit atemlosen Augen entgegen. Für meine Magisterarbeit über das einfache Wespenpedal in der Vornaturzeit habe ich gestern auf Eure Kosten eine Rechtschreibversicherung abgeschlossen. Das ist Euch doch hoffentlich recht?

Leider konnte ich jedoch das arg teure Zeitschriftenabonnement, das ich mir seinerzeit an der Tür habe aufschwatzen lassen, nicht kündigen. Auf mein diesbezügliches Schreiben erhielt ich diese Antwort:

„Sie haben uns mitgeteilt, dass Sie unser Heft in Zukunft nicht mehr beziehen wollen. Wir respektieren Ihren Wunsch, können ihn aber aus rechtlichen Gründen leider nicht erfüllen. Wie es das Gesetz will, muss der Inhalt unseres Hefts allen bekanntgemacht werden. Daher können Sie nicht darauf verzichten. Wir bedauern infolgedessen sehr, Ihrem Wunsch nach Abbestellung nicht entsprechen zu können. Sollten Sie statt eines Exemplars unseres Hefts künftig zwei Exemplare wünschen, dann lassen Sie uns dies bitte schriftlich wissen. Gewiss können Sie unserem Heft in Zukunft die eine oder andere für Sie interessante Information entnehmen. Hochachtungsvoll etc.“

Jetzt weiß ich nicht, ob ich mir das Topflappenorakel beim Elektrischen Mopskreis künftig noch leisten kann. Ich brauche entschieden mehr Geld, das steht fest, vielleicht nehme ich einen Job an. Ein paar Kommilitonen wollen Franz Kafka zu Ehren hier am Ort ein Restaurant eröffnen. Sie hoffen, einen Kellner zu finden, der so ist, wie man sich Kafka in dieser Rolle vorstellt, deshalb haben sie mich gefragt, ob ich Interesse hätte. Das Lokal soll „Schreckliche Wagnisse mit Speisen“ heißen (nach einer Tagebuchnotiz Kafkas). Noch überlege ich.

Nun muss ich aber schließen, der Siechengong des Wohnheims wird geschlagen, und an einigen Stellen meines Zimmers ist Mitternacht schon vorbei. Auch schwankt der Teppich schwer verständlich.

Fröhlich gekleidet grüßt Euch Euer immer so strebsamer, abwaschbarer Sohn

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