DIE SPORTKOLUMNE VON KLAUS NÜSSER: Wo gehauen und gestochen wird, fallen Späne
■ Von Fechtern, Klingen, Musketieren/ Am Wochenende in Berlin: Turnier um den „Weißen Bären von Berlin“
Die modernen unter den Musketieren erheitern Fechtszenen auf Bühnen und im Film. Das hat mit Sportfechten nichts zu tun. Aber oft waren es solche Leinwandabenteuer, die sie als Kinder zu Degen oder Florett greifen ließen. Fechten ist in Ostdeutschland nicht mehr ganz so einfach wie früher. In 50 Fechtzentren kümmerten sich Trainer um ihre Fechter, die Kosten für die Aktiven hielten sich im verträglichen Rahmen. Da Fechten eine geförderte Sportart war, wurden Talente in fünf Leistungszentren, Berlin, Potsdam, Leipzig, Jena und Dresden, unterstützt. Erfolge blieben aber weitgehend aus. „Für uns brachte die Vereinigung mit einem der stärksten Verbände der Welt Vorteile“, meinte der leitende Fechttrainer des SC Berlin, Rolf Kalich. „Früher konnten wir nur zu einigen Weltcupturnieren fahren, weil wenig Geld da war. Jetzt messen sich unsere Spitzenfechter bei allen größeren Wettkämfen mit der Weltklasse. Die Konkurrenz im eigenen Land ist viel stärker geworden. Schon in den Lehrgängen werden die Asse mehr gefordert.“ Andererseits hat das Nachwuchssystem gelitten, das so gut wie zusammengebrochen ist, selbst Spitzenklubs leisten sich nur für absolute Stars die teure Ausrüstung, alle anderen Fechter müssen für ihre Klingen, Helme und Anzüge den eigenen Geldbeutel strapazieren. Die Anzahl der „hauptamtlichen“ Trainer ist stark reduziert. In Berlin sind sechs von 15 übriggeblieben, die neben ihrer eigentlichen Arbeit noch den Organisationswust bewältigen müssen. Eine „Leitung“, die früher hauptamtlich oder die heute ehrenamtlich arbeitet, gibt es nicht. So kümmern sich Betreuer neben dem Training um Termine, Quartierbestellungen, Fahrkarten für Wettkämpfe und ähnliche logistische Dinge. Da kann es schon mal vorkommen, daß mit einem Lada nach Paris zum Wettkampf gefahren wird. Der Trainer wird dann noch zum Kraftfahrer. „Trotz der Schwierigkeiten haben nur einige Fechter die Vereine gewechselt und sind ins alte Bundesgebiet umgezogen. Uwe Römer ging nach Tauberbischofsheim. Wir brauchen aber die Spitzenfechter hier, als Vorbild für den Nachwuchs, als Trainingspartner, sonst werden wir diese Sportart hier streichen müssen. Wenn wir zwei Jahre durchhalten, sind wir hoffentlich so weit, daß wir ein Verein sind, der den Vergleich mit altbundesdeutschen nicht mehr zu scheuen braucht.“ Zumindest ist Rolf Kalich optimistisch. Leistungen sind ja da, Thomas Bönisch vom SC Berlin gewann in Frankreich ein Degen- Weltranglistenturnier der Junioren und will am Wochenende beim „Weißen Bären von Berlin“ mitfechten. Ingo Weißenborn aus Potsdam kam am letzten Sonntag in Paris gegen die gesamte Weltklasse beim Weltcupturnier auf Rang zwei und schlug dabei im direkten Duell Weltmeister Philippe Omnes, außerdem war er Dritter bei den Deutschen Meisterschaften. Zweiter wurde Udo Wagner aus Dresden. Beide werden aber heftig umworben, zu einem Spitzenklub in den alten Bundesländern zu wechseln und dort die Klingen zu kreuzen. Noch widerstehen sie, doch ist Olympiazweiter Wagner momentan arbeitslos. Geld wird eben nur beim Wechsel fließen. Was aus den anderen 200 Fechtern in Dresden an der Elbe wird, wenn ihnen das Flaggschiff davonsegelt? Vielleicht sollten's die Fechter wie die Eishockeyspieler halten. In der Branche gibt es einen Beschluß, keine Spieler aus dem Osten abzuwerben, damit Hockey dort keinen Einbruch erlebt und von der Bildfläche verschwindet.
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