DIE SPEICHERUNG DER GENDATEN VON STRAFTÄTERN HAT SICH BEWÄHRT : Gefährlich wie ein Autokennzeichen
Otto Schily glaubt, dass die Gendatei des Bundeskriminalamtes eine abschreckende Wirkung hat. Schön wär’s. Dann müsste man nur den genetischen Fingerabdruck aller Straftäter erfassen, und schon gäbe es weniger Straftaten. Davon jedoch ist bisher wenig zu spüren. Im Gegenteil: Wenn Schily nach fünf Jahren Gendatei von einer Erfolgsbilanz spricht, dann meint er die steigende Zahl von Verbrechen, die so aufgeklärt werden konnten – nachdem die Täter sich nicht haben abschrecken lassen.
Dennoch ist die Gendatei eine gute Sache. Der dort gespeicherte Zahlencode sagt nichts über das Erbgut eines Menschen aus und ist damit etwa so persönlichkeitsrelevant wie ein Autokennzeichen. Die Gendatei ist einfach ein äußerst hilfreiches Mittel zur Aufklärung von Straftaten, vergleichbar mit der Fingerabdrucksammlung des BKA, die zu Recht nicht umstritten ist. Nicht jede Verbesserung der Polizeitechnologie macht aus Deutschland einen Überwachungsstaat. Die Speicherung des Genschlüssels ist auch keine spezifische Stigmatisierung der Täter, schließlich ist die Gendatei kein öffentlicher Pranger. Ein gespeicherter Extäter merkt von den polizeilichen Routineabfragen erst etwas, wenn es zu einem Treffer kommt und die Polizei ihn konkret verdächtigt. Die Wahrscheinlichkeit, dass er dann auch rückfällig geworden ist, ist hoch. Eine schnelle Aufklärung von Verbrechen nützt zum einen den Opfern und ihren Angehörigen, auf die es beruhigend wirkt, wenn der Täter gefasst wird. Außerdem hilft sie anderen Verdächtigen, deren Verfahren eingestellt werden können.
Deshalb ist auch die von Union und Experten geforderte Ausweitung der Gendatei auf Exhibitionisten oder Kleinkriminelle durchaus diskutabel. Das würde helfen, die Aufklärungsrate auch schwerer Verbrechen zu erhöhen. Die Beschränkung der Gendatei auf verurteilte Straftäter würde abstrakten rechtsstaatlichen Bedenken Genüge tun. Zum Vergleich: Autokennzeichen werden nicht erst dann gespeichert, wenn der Fahrer einen Unfall verursacht hat. Das Schlagwort vom „Generalverdacht gegen die Bevölkerung“ sollte nicht überstrapaziert werden. CHRISTIAN RATH