DIE SCHLÜSSELBESCHAFFUNG : Ich habe geschlumpft
Wir kommen an unserem Haus vorbei. Die Tochter hat auf den Mittagschlaf verzichtet und sieht aus, als hätte sie diesen Tag schon mal erlebt. Der Sohn hat einen Termin, wir sind in Eile. Zuvor muss er dringend auf Toilette.
Mit dem Schlüssel rennt er hoch. Als er zurückkommt, sagt er lächelnd: „Ich habe geschlumpft“. „Wie meinst du das?“, frage ich. Er habe den Schlüssel auf den Boden geworfen, war auf Toilette und dann habe er die Wohnungstür wieder zugezogen. „Wo ist jetzt der Schlüssel?“
„In der Wohnung und die Tür ist zu.“
Schlüsselnotdienst, denke ich.
150 Euro, denke ich.
Vielleicht muss das Schloss dann ausgewechselt werden und ich muss Duplikate des Schlüssels machen lassen. Nein, keine Option. Der Termin, der ist wichtig. Unterwegs versuche ich die Großeltern, die nicht verreist sind, zu erreichen. Vielleicht sind sie in der Stadt. In der Stadt, wie sie sagen, obwohl sie darin wohnen. Ich erreiche sie nicht. Ich rufe auf der Arbeitsstelle der Mutter der beiden an. Der Schlüssel würde bereitliegen. Ich bringe den Sohn und nehme mit der Tochter ein Taxi. Sie will nicht auf den ausklappbaren Kindersitz und ich jetzt kein heulendes Kind. Ich nehme sie auf den Schoß und bitte den Fahrer, vorsichtig, aber zügig zu fahren. Er sagt „jaja“, als würde er diese Formulierung schon auswendig kennen, und dreht Radio Brandenburg lauter.
Die Tochter schläft ein, während die Gedächtniskirche an uns vorbeizieht. Wir holen den Schlüssel ab, nehmen ein Taxi, vorsichtig, aber zügig, die Tochter schläft wieder ein. Wir kommen rechtzeitig zurück. „Hier, du Schlumpf“, sage ich zum Sohn und drücke ihm den Schlüssel in die Hand „Du schließt auf!“ Er grinst. Ich trage die Tochter, die nun wieder langsam zu sich kommt. Als wir fast das Haus erreicht haben, sagt sie: „Fahren wir morgen wieder Taxi?“
BJÖRN KUHLIGK