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Archiv-Artikel

DIE RENTNER MÜSSEN SICH AUF WEITERE NULLRUNDEN GEFASST MACHEN Dritte Zähne zusammenbeißen

Es gibt Nachrichten, die können noch so alt sein – sie lassen sich jedes Mal wie eine Neuigkeit verkaufen. Zum ersten Mal tauchte die Meldung bereits am 21. Oktober 2003 auf, vor einem Jahr also. Schon damals warnten die Rentenversicherer, dass nach der Nullrunde 2004 auch im Jahr 2005 nicht mit einer Rentenerhöhung zu rechnen sei. Diese Prognose wiederholen sie nun regelmäßig, denn an den Fakten hat sich seither nichts geändert.

Auch an den Reaktionen nicht: Von einer Nullrunde 2005 will das Sozialministerium prinzipiell nichts wissen; dort hofft man stoisch auf ein Wunder und kontert stets mit dem Hinweis, dass über die Rentenanpassung 2005 erst im Frühjahr entschieden werde. Diese Taktik ist erfreulich für alle Experten, die alte Prognosen gern als neu verkaufen. So bleiben noch sechs Monate Zeit, um die Botschaft von der Nullrunde 2005 immer wieder aufs Neue unters resignierte Volk zu bringen.

Dabei ließe sich gefahrlos noch weiter in die Zukunft greifen. Schon jetzt lässt sich erkennen, dass es auch 2006 eine Nullrunde für die Rentner geben wird – wenn sie Glück haben. Eine Rentenkürzung ist wahrscheinlicher. Denn die Rentenkassen sind leer, und es ist nicht abzusehen, wie sie sich jemals wieder füllen sollen. Selbst solides Wirtschaftswachstum spült inzwischen kein Geld mehr in die Kassen: Um 1,8 Prozent wird das Bruttosozialprodukt in diesem Jahr zulegen, doch das Aufkommen bei den Rentenpflichtbeiträgen dürfte um 0,3 Prozent sinken. Es trifft eben nicht nur die Beschäftigten, wenn Vollzeitarbeitsplätze verloren gehen und Lohnverzicht zum zentralen Instrument der Wirtschaftspolitik avanciert.

Die Rentner sind sehr verständig. Gegen die letzte Nullrunde gab es keinen Protest, und auch die nächste dürfte akzeptiert werden: Schließlich will man den eigenen Kindern nicht zur Last fallen. So machen Arbeitnehmer und Rentner die Verteilungskämpfe untereinander aus. Aber irgendwann wird dieser Wille zur Harmonie nicht mehr reichen, wird sich eine Frage aufdrängen: Wie kann es sein, dass die Wirtschaft wächst – und fast niemand davon profitiert? ULRIKE HERRMANN