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Archiv-Artikel

DIE POLITIK DER EU IM SUDAN IST VOLLKOMMEN VERANTWORTUNGSLOS Normalisierung trotz Völkermord

Sage keiner, die internationale Gemeinschaft habe keine Fantasie. Das Morden in Darfur, das in diesen Tagen routinemäßig von Politikern in einem Atemzug mit vergangenen Genoziden genannt wird, sorgte am Dienstagnachmittag gleich für drei internationale Reaktionen. Eine UN-Untersuchungskommission erstattete dem UN-Generalsekretär Bericht über die Frage, ob es sich bei den Kriegsverbrechen in Darfur um einen Völkermord handelt oder „nur“ um Verbrechen gegen die Menschlichkeit. Die US-Regierung beantragte im UN-Sicherheitsrat gezielte Sanktionen gegen die für die Verbrechen in Darfur verantwortlichen Mitglieder des sudanesischen Regimes. Und die EU-Kommission unterschrieb in Brüssel mit Sudans Vizepräsident Taha, der als einer dieser Verantwortlichen gilt, ein Abkommen zur Wiederaufnahme der Entwicklungszusammenarbeit, inklusive Soforthilfe von 50 Millionen Euro, und sprach von einer Normalisierung der Beziehungen.

Weiß die EU, was sie da tut? Die neue Partnerschaft mit dem Sudan folgt der Logik, dass man nach dem Friedensabkommen für Südsudan beweisen muss, dass Frieden Geld bringt. Doch wenn die Regierung, die dieses Geld bekommt, gleichzeitig einen anderen mörderischen Krieg führt, trifft der Vorwurf zu, die EU finanziere im Sudan Völkermord. Mutmaßungen, das EU-Geld könnte Sudans Regierung gefügig, weil abhängig machen, sind hingegen unsinnig: Khartum finanziert sich aus Ölexporten, nicht aus Entwicklungshilfe. Das Brüsseler Abkommen ist ein rein politisches Signal.

Falls die UNO tatsächlich zu dem Schluss kommt, dass in Darfur ein Völkermord stattfindet, darf man auf die europäische Reaktion gespannt sein. Nicht nur hätte die EU dann soeben ihre Beziehungen zu einem Völkermordregime normalisiert. Ihre Mitgliedstaaten im UN-Sicherheitsrat müssten dann auch trotzdem für Sanktionen, Strafverfahren und eventuell eine militärische Intervention gegen dieses Regime stimmen, wenn diese Frage Anfang Februar auf der Tagesordnung steht. Mal sehen, ob die Fantasie so weit reicht.

DOMINIC JOHNSON