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Archiv-Artikel

DIE KONSERVATIVEN WOLLEN BEI DER ZUWANDERUNG NACHBESSERN Nachhaltig verschärfte Abschreckung

Ausländer stehen in Deutschland weiterhin unter Generalverdacht. Baden-Württemberg will Muslime verpflichten, ihre Verfassungstreue zu beweisen. Der Bundesinnenminister fordert, fürderhin solle jeder Ausländer „auf Verlangen“ ein digitales Foto vorlegen, das zentral gespeichert werden darf. Ehepartner sollen erst ab dem 21. Lebensjahr eine Aufenthaltserlaubnis erhalten. Damit will man „junge Ausländer vor Zwangsehen schützen“.

Dies ist zwar ein geschicktes Ausnutzen aufgeregter Debatten über Zwangsverheiratung – aber kein Argument. Der Vorstoß widerspricht nicht nur dem geltendem Recht auf Einheit der Familie gemäß Artikel 6 des Grundgesetzes. Vor allem ist er als politische Maßnahme gegen Zwangsheirat einfach lächerlich. Eine Verschärfung des Familiennachzugs wird keine Zwangsheirat verhindern, sondern im besten Falle verzögern. Zudem ist Zwangsheirat auch heute schon Nötigung. Wichtiger wäre es, den Straftatbestand zu verschärfen und den betroffenen Frauen Unterstützung, Unterschlupf und Aufklärung zu bieten. Das Gleiche gilt für junge Prostituierte, die über Scheinehen ins Land geholt werden. Zu glauben, Zwangsprostitution ließe sich durch dieses Gesetz eindämmen, ist naiv: Schlepper kennen immer viele Wege.

Nachhaltig wirkt der Effekt eines solchen Gesetzes allerdings auf Menschen, die ernsthaft erwägen, langfristig in die Bundesrepublik zu kommen und daher auch ihre Partner nachholen wollen. In vielen Kulturen wird wesentlich früher geheiratet als in Deutschland üblich – beispielsweise in Indien, wo zur Zeit der Green-Card-Debatte auf hochqualifizierte Arbeitskräfte geschielt wurde. Für diese „guten Ausländer“ war Deutschland nie attraktiv. Und es wird dank immer höherer Zuwanderungshürden immer unattraktiver.

Das Zuwanderungsgesetz von 2004 war ein Kompromiss, der außer dem hochqualifizierten Wissenschaftler und dem kapitalstarken Selbstständigen niemanden ins Land holen wollte. Im Zuge der inzwischen fälligen Angleichung des Zuwanderungsgesetzes an die EU-Richtlinien versucht man offensichtlich, diesen mühsam erzielten Kompromiss in einem Aufwasch konservativ nachzubessern. EDITH KRESTA