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Archiv-Artikel

DIE JUSTIZAMTSINSPEKTORIN Korrespondenz

Ich habe ihr einen bewegenden Brief geschrieben

Dreimal bin ich beim Schwarzfahren erwischt worden. Viel häufiger als dreimal habe ich das Ticket bezahlt. Aber da bin ich nie kontrolliert worden, weshalb ich das nicht beweisen kann. Jetzt hat mir die Justizamtsinspektorin A. Schulz geschrieben, dass ein Strafbefehlsverfahren gegen mich eröffnet wurde, wegen dreimal schwarzfahren.

Ich frage mich, wie man eigentlich Justizamtsinspektorin wird und was man da eigentlich tun muss. Ich glaube, das ist etwas Ähnliches wie ein Inkassobüro, das dafür sorgt, dass die Gefängnisse in Berlin immer voll sind. Ich stelle mir vor, dass die Justizamtsinspektorin Stempel toll findet, auf denen „Justizamtsinspektorin (A. Schulz)“ steht. Und Ablagen, auf denen „Erledigte Fälle“ steht. Und einen Resopalschreibtisch, auf der eine Thermoskanne mit Kaffee steht. Und eine selbstgebastelte Schachtel mit Schlitz, auf der Kaffeekasse steht. Ich habe der Justizamtsinspektorin einen bewegenden Brief geschrieben, um sie aus ihrer Welt voller Ablagen und Stempelkissen herauszureißen. Ich habe geschrieben, dass es mir leidtut, aber ich sei eine alleinerziehende Mutter und hätte ganz wenig Geld. Ich habe ihr geschrieben, dass einmal der Fahrkartenautomat kaputt gewesen sei, dass ich es beim zweiten Mal ganz eilig gehabt hätte, weil ich mein Kind von der Kita abholen musste, das sonst allein durch die Straßen geirrt und wahrscheinlich entführt worden wäre, und beim dritten Mal muss mir die Fahrkarte aus der Tasche gefallen sein. Oder sie hat mir jemand geklaut. Daraufhin habe ich von der Justizamtsinspektorin eine Zahlungsaufforderung bekommen über 30 Tagessätze zu je 20 Euro, plus Gebühren für das Strafbefehlsverfahren über 70 Euro. Und dann hat die Justizamtsinspektorin die beiden Beträge zusammengerechnet und darunter geschrieben: „Sachlich und rechnerisch richtig“. Ich frage mich, wie Menschen so leben können. KLAUS BITTERMANN