DIE GRÜNEN KÖNNEN ENTSPANNEN: DIE ZEIT ARBEITET FÜR SIE : Prima Klima für die Klimaschutzpartei
Mögen die Debatten der Grünen auf ihrer Fraktionsklausur oft langweilig gewesen sein und ihre Spitzenpolitiker den Journalisten dieselben Textbausteine wie immer diktiert haben – völlig egal. Ihre Selbstbestätigung erfuhren die Grünen diesmal ganz nebenbei. Während sich die Grünen in einen Tagungsraum eines Hotels in der Pampa von Sachsen-Anhalt zurückzogen, lief im Nachbarzimmer in den Fernsehnachrichten die gesperrte russische Pipeline als Topthema. Rauf und runter diskutierten Experten über drohende Engpässe in der Energieversorgung und darüber, welche sinnvollen Alternativen es gibt, um von der Abhängigkeit von endlichen Ressourcen wie Gas und Öl loszukommen.
Noch 1990 hatte die Partei ihr Wahlslogan „Alle reden von Deutschland, wir reden vom Wetter“ den Platz im Bundestag gekostet. Kein Mensch wollte damals die apokalyptischen Klima-Vorhersagen der Ökopartei hören. Heute reden alle vom Wetter. Sogar die Bild-Zeitung machte mit der Klimaveränderung auf und schilderte genüsslich, welche Plagen demnächst auf uns zukommen.
Für die Grünen arbeitet die Zeit, so viel ist klar. Ihr langer Atem über die 90er-Jahre hinweg, als mit Ökothemen kein Blumentopf und schon gar keine Wahl zu gewinnen war, zahlt sich nun aus. Dass die Wetterkapriolen das Thema Klimaschutz für die Mehrheit der Bevölkerung plötzlich plausibel machen, wird den Grünen zu Auftrieb verhelfen. Auch nach dem Reaktorunglück in Tschernobyl fanden die Bedenken der Ökopartei plötzlich Gehör.
Umweltbewusstsein ist zwar kein Alleinstellungsmerkmal mehr, aber immer noch genießen die Grünen hierin die höchste Glaubwürdigkeit. Die Strategie, sich als die Partei zu profilieren, die Klimaschutz nicht nur ernst nimmt, sondern auch die besten Lösungsstrategien anbietet, ist daher richtig. Wenn der Bundeskanzlerin als Reaktion auf kurzfristige Energieengpässe sofort wieder „Atomkraft“ einfällt, müssen sich die Grünen schon sehr ungeschickt anstellen, wenn sie daraus kein Kapital schlagen. KATHARINA KOUFEN