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Archiv-Artikel

DIE GESELLSCHAFTSKRITIK Dirty Dancing

WAS SAGT UNS DAS? Ein Fauxpas geht noch: Das MDR-Fernsehballett trat bei der Geburtstagsgala von Tschetscheniens Präsident Ramsan Kadyrow auf

Der MDR hat doch Übung darin, darzulegen, warum kleinere Skandälchen nicht sofort auffallen

Als Anfang Mai den Besuchern eines Medienkongresses kurz nach dem Mittagessen durch infernalisches Tschingderassabumms der Espresso im Halse stecken blieb und bunt angezogene Menschen durch die „Location“ wirbelten, ging das völlig in Ordnung: Mitglieder des MDR-Fernsehballetts – des letzten, natürlich längst privatisierten Senderballetts auf deutschem Boden – tanzten durch den Saal. Schließlich war man in Leipzig und der Mitteldeutsche Rundfunk mehr als ein bisschen Mitgastgeber: der MDR feierte seinen 20. Geburtstag.

Jetzt hat die kontroversengestählte Anstalt prompt die nächste Debatte an der Hacke: Sechs MDR-Fernsehballettisten haben dem – milde ausgedrückt – umstrittenen tschetschenischen Präsidenten Ramsan Kadyrow in Grosny ein Geburtstagsständchen zum 35. getanzt. Mit ihrem Faux Pas de deux sind sie dabei in illustrer Gesellschaft: Schließlich waren auch Hilary Swank, Jean-Claude Van Damme und Kevin Costner vergangene Woche mit von der Partie. Und solche Leute treffen auch MDR-Fernsehballettisten eben nur in Grosny und nicht auf dem MDR-Schlagerboulevard – und schon gar nicht beim Landesindustrieball in Chemnitz, dem nächsten auf ihrer Homepage gelisteten Auftritt der TV-Tänzer.

Auch wenn das MDR-Fernsehballett mit dem gleichnamigen Sender nur noch so viel zu tun hat, als dass die MDR-Produktionsholding Drefa einer der Hauptgesellschafter ist, kann es von der Kommunikationsstrategie des Senders lernen. Der hat nämlich einige Übung darin, darzulegen, warum er nicht immer alles mitbekommt, kleinere Skandälchen nicht sofort auffallen und alle Verantwortlichen danach immer irgendwie unsichtbar sind.

Also: das Fernsehballett ist vom renommierten Illusionisten Jan Rouven, mit dem es öfter auftritt, nach Grosny geholt worden. Rouven ist also schuld – er kann das schultern. Schließlich lässt er sich in seiner Show gern mal einen sieben Meter langen Bergwerksbohrer sichtbar durch den Bauch bohren, „brennende Kreissägen rasen in höllischer Geschwindigkeit“ auf ihn zu. Trotzdem überlebt er immer wieder. Genau wie die bisherige MDR-Spitze. STEFFEN GRIMBERG