DIE FREUDE ÜBER DAS ERGEBNIS DER WAHLEN IN SERBIEN IST VERFRÜHT: Zwischen Konzession und Sezession
Bei den Parlamentswahlen in Serbien hat das demokratische und proeuropäische Lager seine Position festigen können: Das ist die gute Nachricht. Die Demokratische Partei ist unbestritten die zweitstärkste Kraft geworden, die Partei G-17 plus und die Liberalen haben die 5-Prozent-Hürde geschafft. Nach all dem nationalistischen Getöse im Wahlkampf angesichts der jetzt fälligen Entscheidung der UN über den zukünftigen Status des Kosovo war das nicht zu erwarten gewesen.
Dennoch bleibt Serbien ein neuralgischer Punkt. An der Grundkonstellation hat sich nämlich nichts geändert, denn die Wähler haben zugleich das antieuropäische und prorussische, das ultranationalistische Lager gestärkt. Die schlechteste Nachricht von allen ist, dass Ministerpräsident Vojislav Koštunica, der zwischen beiden Blöcken steht, nach wie vor die wichtigste Schlüsselfigur geblieben ist. Seine Demokratische Partei Serbiens wurde zwar nur dritte Kraft. Doch er kann jetzt mit beiden Seiten spielen und damit den demokratischen Block in Zugzwang bringen.
Schon deutet sich an, dass die Liberale Partei – die den deutschen Grünen nahe steht – einer Koalition mit Koštunica nicht zustimmen wird. Die Nichtauslieferung der Kriegsverbrecher und Koštunicas Verbundenheit mit der orthodoxen Kirche und großserbischen Ideen werden zwar auch von anderen Parteien dieses Lagers kritisiert. Doch um an die Macht zu kommen, werden sie wohl einige Kröten schlucken müssen. Das fängt schon damit an, Koštunica als Ministerpräsidenten zu bestätigen. Und es wird wohl bedeuten, in der Frage der Kriegsverbrecher, der Spaltung Bosnien und Herzegowinas und vor allem in der Kosovo-Frage bei der bisherigen Politik zu bleiben.
Die internationale Gemeinschaft wird, wie man sie kennt, Serbien mit weiteren Konzessionen entgegenkommen, um einer Koalition zwischen den demokratischen Parteien und Koštunica den Weg zu ebnen: Darauf lassen nicht nur die ersten Äußerungen von Politikern der EU und der USA schließen. Russland droht sogar mit einem Veto im Weltsicherheitsrat, sollte die Entscheidung über das Kosovo gegen Serbien ausfallen.
Vor weiteren Konzessionen aber kann nur gewarnt werden, denn das würde die Unruhe in der Region befördern. Eine Entscheidung, das Kosovo weiterhin an Serbien zu binden, würde die überwältigende Mehrheit der albanischen Bevölkerung dort nicht hinnehmen. Niemand aber kann wollen, dass die unter deutschem Kommando stehenden Nato-Truppen im Kosovo dann gar einen Aufstand niederschlagen müssen. ERICH RATHFELDER
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