DIE EU-ERWEITERUNG HILFT MEHR ALS VIELE GRENZLANDMILLIONEN: Die neue Mitte liegt im Osten
Die EU-Kommission hat die Sommerreise des Kanzlers gründlich verdorben. So schön hatte Gerhard Schröder sich das vorgestellt: Tag für Tag besucht er eine von der Osterweiterung angeblich so bedrohte deutsche Grenzregion und verteilt die EU-Milliarden. Doch daraus wird nun nichts. Denn: Brüssel stellt für die zusätzliche Förderung von 23 Regionen nur 195 Millionen Euro zur Verfügung. Das Geld geht nicht nur nach Deutschland, sondern auch nach Österreich, Italien, Finnland und Griechenland. In jedem betroffenen Bundesland wird es vielleicht gerade mal zum Bau einer Autobahnbrücke reichen. Allein das Land Sachsen erhält derzeit aus den regulären EU-Strukturfonds mehr als das Zwanzigfache.
Romani Prodi kann zufrieden in den Sommerurlaub fahren. Seiner Kommission ist es gelungen, die Unabhänigkeit zu wahren und sich nicht erneut von Deutschland unter Druck setzen lassen. Hatte Brüssel noch nachgegeben, als Gerhard Schröder die siebenjährige Übergangsfrist bei der Arbeitsmarktöffnung forderte, so blieb man jetzt hart. Was aber bedeutet das so genannte Grenzregionenprogramm nun für die betroffenen Regionen selbst?
Natürlich sagt kein Bundesland nein, wenn es zusätzliche Subventionen erhält. Genauso klar ist aber auch, dass die Aussicht auf staatliche Unterstützung das Engagement der Privatindustrie nicht gerade fördert. Brüsssel hat daher auch deutlich gemacht, dass es nicht um mehr, sondern um eine bessere Verteilung der schon bisher zur Verfügung stehenden Gelder geht. Für Maßnahmen, die eben wirklich grenzüberschreitende Projekte und nicht nur den Bau weiterer Schwimmbäder fördern.
Die Absage Brüssels an zusätzliche Fördergelder sollte in den Ländern, aber auch in Berlin dazu genutzt werden, die populistische Debatte über die Osterweiterung zu beenden. Die Grenzregionen werden in weniger als drei Jahren nicht mehr am Rande, sondern im Zentrum der EU liegen – und davon werden sie profitieren. Wirtschaftlich wie kulturell. Das sollte Schröders Thema für die Sommerreise sein. SABINE HERRE
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