DIE DEBATTE UM DIE NEUE IRAK-STRATEGIE ZEUGT VOM ENDE DER NEOCONS : Rückkehr der Realpolitiker
„Reden ist keine Strategie“, kommentierte kürzlich der Nationale Sicherheitsberater der USA, Stephen Hadley. Allein Gespräche mit Iran und Syrien über den Irak würden die verfahrene Situation nicht lösen. So billig kann man recht haben. Wahr ist: Die Aufforderung, eben jene „Schurkenstaaten“ Iran und Syrien in eine Irakstrategie einzubeziehen, ist wichtig und richtig. Vor allem jedoch ist sie ein Symbol des Kurswechsels: Setzten die USA seit Beginn der Invasion auf Gestaltungsmacht qua militärischer Stärke und Überlegenheit, kehrt allmählich die Politik auf den Kriegsschauplatz zurück.
„Syrien und Iran“ ist in der Debatte zu einem pars pro Toto für diese Umkehr geworden. Das bedeutet einerseits ein Eingeständnis des bisherigen Scheiterns. Andererseits ist es die – wahrscheinlich einzige – Chance, doch noch anders als über einen Bürgerkrieg zu einer tragfähigen Lösung zu kommen. Denn nur so lässt sich eine Ausweitung des Krieges auf die Region verhindern.
Ganz sicher ist aber: In den USA ist die alte Realpolitik zurück, die in den vergangenen Jahren von den militärmissionarischen Träumen der Neocons abgelöst worden war. Realpolitik hieß früher immer: die Kräfteverhältnisse analysieren und unter Anerkennung der Realität schauen, was man machen kann. Die Devise der Neocons lautete: Die Kräfteverhältnisse ansehen, beklagen – und sie umkehren, wenn nötig, also fast immer, mit Gewalt. Diese fundamentalistische Prämisse ließ für Politik wenig Spielraum.
Im Ergebnis kommt das Umdenken womöglich schön zu spät, um im Irak noch das Schlimmste zu verhindern. Es wäre Wunschdenken, von der Baker-Hamilton-Kommission magische Lösungen zu erwarten. Eher wird sie Optionen aufzeigen, wie die USA einigermaßen gesichtswahrend aus dem Schlamassel herauskommen. Vielleicht aber können wenigstens in Zukunft, etwa am Beispiel Iran, die gleichen Fehler vermieden werden. Vom neokonservativen „Regime Change“ zum realpolitischen „Containment“ – das muss die Bewegungsrichtung sein, und zwar noch vor dem US-Präsidentschaftswechsel 2008. BERND PICKERT