DIE DB BRAUCHT EIN BESSERES TARIFSYSTEM UND BESSERE MANAGER : Ziel erreicht, Zug leer statt überfüllt
Das neue Preissystem der Bahn ist ein Flop. Das zeigt sich nicht nur an den Umsatzzahlen, die weit hinter den Erwartungen zurückbleiben. Viele Kunden empfinden es als überaus kompliziert – auch wenn Bahnchef Hartmut Mehdorn es immer wieder als „verständlich“ anpreist. Damit hat er sogar Recht, aber nur aus seiner Sicht: Vorbuchungszeit, gewählte Zugart und Zahl der Mitfahrer sind die entscheidenden Faktoren für den Preis. Doch für die Reisenden bedeutet das, am Schalter schnell abwägen zu müssen, ob sie einen langen Umweg in Kauf nehmen, um fünf Euro zu sparen, oder ob ihr pünktliches Erscheinen in einer Sitzung tatsächlich 14 Euro wert ist. Solche Denkprozesse dauern. Entsprechend lang sind die Schlangen. Und nun erfahren die Kunden auch noch, dass ihnen die Bahnmitarbeiter in 30 Prozent der Fälle ungünstige Tickets verkauft haben, wie der Verkehrsclub Deutschland herausgefunden hat.
Einmal mehr zeigt sich, dass das ganze Preissystem der Bahn nicht vom Kunden her konstruiert wurde, sondern von den Problemen der Bahn ausging: Manche Züge sind brechend voll, andere fast leer. Eine bessere Verteilung der Reisenden ist wünschenswert. Was das neue System tatsächlich bringen wird, sind leerere Züge in den beliebten Reisezeiten. Doch was fehlt, ist eine Strategie, um die leeren Züge zu füllen. Im Gegenteil: Die Notwendigkeit, wegen der Vorbuchung extra zum Bahnhof gehen zu müssen, wirkt als zusätzliche Hürde. Eine Methode, um das Geschäft auszuweiten, ist das gewiss nicht. Und bei alledem ist auch noch absehbar, dass sich die Lage weiter verschärfen wird: Die Vielfahrer haben noch alte Bahncards und nutzen das System erst nach und nach.
Kurzum: Hartmut Mehdorn und eine Crew von Ex-Lufthanseaten, die das Preissystem ohne Praxistest ausklügelten, haben ein betriebswirtschaftliches Desaster angerichtet. Die Folgen sind auch aus verkehrspolitischer Sicht fatal, weil das Auto attraktiver wird. Wie sollte der Bund als Eigentümer reagieren?
Legt Mehdorn nicht schnell einen überzeugenden Plan vor, muss die Bundesregierung einen neuen DB-Chef suchen. Auf keinen Fall sollte sie hingegen den Ehrgeiz entwickeln, selbst Einfluss auf das Preissystem zu nehmen. Denn dies ist eine betriebswirtschaftliche Frage. Das verkehrspolitische Ziel, mehr Leute in die Bahn zu bekommen, kann der Staat nur durch günstige Rahmenbedingungen und eine clevere Personalwahl erreichen, nicht indem er selbst zum Unternehmer wird. Das hat die über Jahrzehnte geschrumpfte Bahn hinlänglich bewiesen. ANNETTE JENSEN