piwik no script img

Archiv-Artikel

DIE BOMBENATTENTATE HABEN INDIEN UND PAKISTAN NÄHER GEBRACHT Anschlag auf den Freundschaftszug

Zugfahren ist in Indien, dem Land der Pilger und Pendler, eine der wichtigsten Nebensachen des Lebens. Inder sind arm und reisen gern, und die billigen Züge sind ihr beliebtestes Verkehrsmittel. Täglich sind 24 Millionen im Zug unterwegs, und die Bahnhöfe bilden einen Mikrokosmos des Landes – lärmig, bunt, dreckig. Sie lassen sich deshalb auch gern als politisches Symbol missbrauchen.

Das haben nicht nur die Politiker gemerkt – das Eisenbahnministerium ist eines der beliebtesten Ressorts –, sondern auch die Handlanger des Terrors. Züge und Bahnhöfe sind nicht nur ein nahe liegendes Ziel, wenn es darum geht, Angst und Schrecken auszubreiten und ihnen eine maximale Resonanz zu geben. Sie sind auch eine einfache Zielscheibe, denn im Gedränge einer indischen Zugfahrt geht leicht der Überblick verloren.

Das Attentat in der Nacht vom Sonntag nördlich von Delhi ist nun schon das dritte in den letzten Jahren, das den Annäherungsprozess zwischen Indien und Pakistan zum Entgleisen bringen sollte. Bei den ersten beiden Versuchen waren die Drahtzieher erfolgreich. Doch diesmal haben sie sich wahrscheinlich verrechnet.

Zwar haben sie mit dem „Freundschaftsexpress“ zwischen Indien und Pakistan ein potentes politisches Symbol der gegenseitigen Annäherung gewählt. Doch indem sie einfache Pakistaner und Inder als Ziel wählten, haben sie die alten Fronten neu aufgemischt. Plötzlich finden sich die bisherigen Widersacher auf der gleichen Seite wieder.

Dies ist zwar oft so, wenn Zivilisten zu Opfern werden. Doch diesmal ist die Grausamkeit besonders augenfällig und auf eine grauenhafte Weise deutlich geworden. In den Leichenhallen, aus denen die Fernsehkameras die Reihen verkohlter Körper zeigen, die dort nebeneinander liegen, erkennen die Menschen, dass es nicht nur schwer ist, die persönliche Identität der Opfer festzustellen. Der Tod macht es unmöglich, Inder von Pakistanern zu trennen. Vielleicht ist es diese Vereinigung zweier Länder im Tod, die sie wachrüttelt, und den gemeinsamen Feind erkennen – und bekämpfen lässt. BERNARD IMHASLY