DIE ARD SOLLTE AUF IHRE SPORTBERICHTE NICHT ZU STOLZ SEIN : Heute ist das Match nur zweitwichtig
Ach Gottchen. Die ganze große ARD ist ob der Völler-Volte beleidigt. Ernstlich beleidigt. So was von beleidigt, dass sie für eine Lektion in Sachen Standfußball sogar den Kommentar der „tagesthemen“ hergab. Dieses Heiligtum öffentlich-rechtlicher Meinungsäußerung wird täglich neu zwischen allen ARD-Chefredaktionen verhandelt. Und so durfte „ihm“, dem Völler, „das jetzt mal ganz klar gesagt werden: Sein verbaler Ausrutscher war in der Sache nicht nachvollziehbar und in der Wortwahl völlig unakzeptabel“, onkelte Heribert Faßbender.
Denn die ARD hat den Fußball gekauft, mit Haut und Haaren, zumindest was die Bundesliga und die Länderspiele angeht. Inklusive der von Faßbender angemahnten „Vorbildfunktion“ des Bundes-Rudis. Sie bestimmt daher, wann wo wer wen duzt und bekrittelt. Wobei – das sei ihr ausdrücklich zugute gehalten – im Fußball noch unabhängige Berichterstattung und Kommentierung zum Zuge kommen, obwohl die ARD Hauptmedienpartner der DFB-Auswahl ist. Bei der Tour de France, wo ARD und ZDF dem Team Telekom, sagen wir: nahe stehen, sieht das auch schon mal anders aus. Vor allem, wenn wie 1998 ein hässlicher Doping-Skandal dazukommt, der das Image des mit so viel Mühen aufgebauten TV-Sportereignisses befleckt. Da schaut man dann lieber weg. Wie man die Entwicklung konsequent zu Ende betreibt, zeigt sich beim Rennzirkus auf RTL. Dort wurde noch die spannungslose letztjährige Formel-1-Saison ohne Rücksicht auf Verluste zum Medienhighlight hochgejazzt, dass es am Ende sogar die Zuschauer merkten und in Scharen davonliefen. Zum Glück für den Sender ist die laufende Serie wieder spannender.
Heute gibt es dafür ein Novum in der Geschichte des deutschen Nationalfußballs: Das Match selbst ist nur noch zweitwichtig. Heute blicken alle auf die normalerweise eher in Kauf genommene als heiß ersehnte Nachberichterstattung – und hoffen auf eine neue Runde zwischen Völler und Netzer. Heute gilt tatsächlich einmal: Nach dem Spiel ist vor dem Spiel.
STEFFEN GRIMBERG