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DGB legt Studie vorJeder achte Leiharbeiter ist arm

Laut einer DGB-Untersuchung brauchen immer mehr Leiharbeiter zusätzlich Hartz-IV-Bezüge. Festangestellte haben oft doppelt so viel Lohn wie ihre Leih-Kollegen.

"Armut trotz Arbeit breitet sich aus", das ist das Ergebnis der DGB-Studie zu Leiharbeit. Bild: dpa

BERLIN taz | In Vollzeit beschäftigte Leiharbeitskräfte verdienen oftmals nur etwa halb so viel wie ihre festangestellten Kollegen. Deswegen sind immer mehr Leiharbeiter auf ergänzende Hartz-IV-Bezüge angewiesen. Das geht aus einer vom Deutschen Gewerkschaftsbund (DGB) durchgeführten und am Montag veröffentlichten Analyse der Entgeltstatistik der Bundesagentur für Arbeit (BA) hervor.

"Armut trotz Arbeit breitet sich aus", sagt der Autor der Studie und Leiter des Bereichs Arbeitsmarktpolitik beim DGB, Wilhelm Adamy. So verdienten Vollzeit-Leiharbeitskräfte 2009 im Westen durchschnittlich 1.456 Euro brutto, und im Osten 1.225 Euro - Festangestellte hingegen 2.805 Euro beziehungsweise 2.050 Euro. Diese Schere geht sogar weiter auseinander: Während der Durchschnittslohn aller Vollzeit-Arbeitnehmer von 2008 auf 2009 stieg, sank der Verdienst der Leiharbeiter.

Große Ungleichheit zeigt sich auch in den einzelnen Einkommensklassen: Nur knapp 20 Prozent der Vollzeit-Leiharbeiter verdiente 2009 mehr als 2.000 Euro brutto. Bei den Festangestellten erhielten immerhin 71,7 Prozent diesen Lohn. Und während sich jeder zehnte Leiharbeiter trotz Vollzeitjob mit einem Bruttolohn von unter 1.000 Euro zufrieden geben musste, traf das nur auf jeden zwanzigsten Festangestellten zu.

Solch niedrigen Löhne machen sozialversicherte Leiharbeitskräfte zunehmend von Hartz IV abhängig: "Ein sozialversicherter Job kann hier ein menschenwürdiges Leben nicht sicher stellen", meint Adamy. So waren Mitte 2009 57.500 in Voll- und Teilzeit beschäftigte Leiharbeiter auf Zuschussleistungen vom Staat angewiesen, ein Jahr später jedoch bereits 92.300, ungefähr jeder Achte der über 700.000 Leiharbeiter. Bei den Festangestellten waren hingegen nur 2,7 Prozent vom Jobcenter abhängig - bei den Leiharbeitern liegt die Quote bei 13,1 Prozent.

Neben der sozialen Ungerechtigkeit kritisiert Adamy die dadurch entstehende Wettbewerbsverzerrung: "Der Staat subventioniert über Hartz IV die Verleihbranche wie keine andere. Die Steuerzahler werden zur Kasse gebeten für das in der Branche praktizierte Lohndumping."

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14 Kommentare

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  • W
    Walter

    Wer erinnert sich...

    es gab eine Zeit in der bewaffneter Werksschutz auf streikende Arbeiter geschossen hat.

    Das war eine Zeit in der ein sozialer Anwandlungen unverdächtiger preussischer Junker per Gesetz eine allgemeine Krankenversicherung beschlossen hat - um einen Bürgerkrieg zu verhindern.

    Das war eine Zeit in der Gewerkschaft für viele Arbeiter eine Überlebensfrage war.

    Wir jammern noch auf hohem Niveau, während das von immer wenigeren gewählte Pack daran arbeitet das zu ändern.

    Jedes Land hat die Regierung die es verdient.

  • W
    Wolfgang

    Moderner -modifizierter- Faschismus in Deutschland und Europa 2011:

    Die Realität in der BDI-BDA-DIHK- Konzern- und Bankenverbands- Deutschland AG für viele Millionen Kinder, Jugendliche und Erwachsene ist die kapital-faschistische und sozialdarwinistische -imperialistische- Gesellschaftsordnung und -formation.

     

    Diese sozial-ökonomische und gesellschaftspolitische objektive Realität des modifizierten Faschismus - getragen von der Großbourgeoisie, ökonomischen und gesellschaftspolitischen Administration, einschließlich der Lobby-Bundesregierung und Parlamentsmehrheit und einer Bevölkerungsmehrheit (!) in Deutschland - wird (noch) ideologisch-psychologisch erfolgreich in Europa geleugnet.

     

    Trotz alledem!

  • H
    HungerKarle

    Ich finde die Diksussion hier sehr interessant. Eindeutig gibt es hier ein klares Feindbild, und das ist die Gewerkschaft DGB (bzw. die DGB-Gewerkschaften). Diese lassen durch Tarifverträge eine Öffnung zu, ...

     

    Bitte einmal für 5 Minuten aus der Deckung herauskommen und sich die Welt mal richtig ansehen.

     

    Was passierte dort, wo die DGB-Gewerkschaften keine Tarifverträge abgeschlossen haben? Der Chef hat seinen Tarifvertrag, so wie er ihn wollte, mit der CGZP (Achtung, Tariffähigkeit aberkannt!) oder der CGM abgeschlossen. Konsequenz daraus? Noch weniger Lohn, nur gesetzlicher Urlaubsanspruch, usw ...

     

    Außerdem regelt das Gesetz in dieser Frage nur die Bezahlung. Alle anderen Rahmenbedingungen sind ungeklärt. Was regeln die DGB-Gewerkschaften? Sicherlich gibt es bei der Bezahlung Abstriche, aber dafür sind oftmals Themen wir Urlaubsanspruch, Mehrarbeit, Wochenendarbeit und so weiter geklärt.

     

    Nichts desto trotz stimme ich der Meinung hier zu, dass gleiche Arbeit und eine gleiche Bezahlung haben sollte. Aber das reicht nicht. EqualPay ist nur der Anfang, aber wir müssen dringend hin zum EqualTreatment (nicht nur gleiche Bezahlung wie die Mitarbeiter des Entleihers, sondern auch gleiche Bedingungen)! So wird ein Schuh draus.

  • F
    FAXENDICKE

    Seit über 20 Jahren heißt es allenorts Lohnzurückhaltung, mal um den Aufschwung nicht zu gefährden, mal um der Rezession entgegen zu wirken. Je nach Lage mal so mal so. Konsequenz, der deutsche Arbeitnehmer sank in der EU vom ersten auf den letzten Platz was das Einkommen anbelangt. Zehn Prozent weniger Lohn, dreissig Prozent weniger Kaufkraft Dank Euro. Die Gewerkschaften schauen tatenlos zu und labern seit ewigen Zeiten vom heissen Herbst. Fragt man beim DGB mal freundlich an was das noch mit Gewrkschaftsarbeit zu tun hat, bekommt man nicht mal eine Antwort!

    Als ich als arbeitsloser meinen Beitrag nicht mehr zahlen konnte, wurde mir mit Zwangsvollstreckung gedroht, damit die Gewerkschaftsbonzen besser verdienen als hochrangige Politclowns. Gute Nacht Deutschland!!!

  • M
    Maja

    Warum stellt man der CDU nicht konsequent die Frage, ob dann wegen des berühmten Lohnabstandsgebotes die Möglichkeit, aufzustocken nicht abgeschafft werden und Hartz IV statt dessen nicht noch weiter gesenkt werden soll?

     

    Bzw. wenn nicht, warum dann dann nicht ein hoher bundesweiter Mindestlohn sowie gesetzliche Verankerung des Prinzips "gleicher Lohn für gleiche ARbeit" die einzig denkbare Alternative ist?

    Und was an einem bedingungslosen Grundeinkommen so völlig indiskutabel sein soll, obwohl es das Lohnabstandsgebot viel besser sichern würde als die jetzige Situation?

     

    Wir haben einfach überhaupt keine Diskussionskultur, in der ein einzelnes Argument mal mit allen Konsequenzen zuende gedacht und auf die Spitze getrieben wird;

    und dann zu anderen genau so konsequent auf Spitze getriebenen Argumenten systematisch ins Verhältnis gesetzt wird.

     

    Leider ist eine solche Kultur auch unter Journalisten nicht so viel weiter verbreitet als im Allgemeinen wie man erwarten könnte.

  • JK
    Juergen K

    Westerwelle lügte diesmal etwas "netter" in der Glotze:

     

    Eine 4 Köpfige Hartz4-Familie hat 1 800 Euro im Monat

     

    (das muessen wohl 4 mal 364 Euro sein - wie mein Taschenrechner hergibt)

     

    und eine 4 Köpfige Arbeiterfamilie hat weniger.

     

    Gut, wenn die kein Hartz4 beantragt, dann kann das hinkommen.

     

    Muss wohl FDP Familie sein, mit FDP-Krankenkassenrabatt,

  • H
    Hans

    Der DGB hat ja recht, nur warum bekämpft er diese Perversion aus Hartz-IV, Leiharbeit, Zeitarbeitsbranche und Dumping per Staatsdruck nicht wirklich?

    "Wir kommen wieder" rief Sommer vor Hartz-IV. Er kam nie wieder. Dafür kommt jetzt Adamy mit seinen Studien. Vielen Dank, DGB, aber glaubwürdig finde ich das nicht.

    Und auch sonst macht der DGB, machen die DGB-Gewerkschaften nicht gerade von sich reden und arbeiten daran, diese Zustände zu ändern. Dazu wäre der Kern nämlich, Hartz-IV zu ändern, und zwar radikal. Der zweite Schritt wäre ein Zwang zu Mindestlohnen und Regulierung der Zeit- und Leiharbeitsbranche.

    Was die SPD sich mit Hartz-IV ausgedacht hat, ist absolut daneben gegangen.

  • W
    waltaKa

    Das war von den Protagonisten, der SPD und den Grünen, während deren Regierungszeit genau so gewollt. Darum prüfe, wer nach der nächsten SPD/Grünen-Regierung schreit. Ach ja, wer hat mitgeholfen dabei? CDU/CSU/FDP. Wer tut nun so, als könne er sich an gar nichts erinnern? Die Grünen. Neoliberal, so nennt sich das.

  • E
    egal

    Es lebe Rotz - Grün, die haben ja die Sauerei eingeleiert.

    Ihr als Lohnschreiber besorgt denen auch noch schön das Geschäft.

  • W
    Winfried

    DGB-Untersuchung brachte es am Licht.Schwachsinniger gehts nicht.Der Dgb hat doch mit dafür gesorgt daß das Lohnniveau immer tiefer sinkt/stinkt.

  • G
    G-H-L

    Diese Entwicklung ist aber erst durch die Gewerkschaften ermöglicht worden. Denn die gesetzlichen Bestimmungen, darunter auch das Equal Pay, dürfen durch Tarifabschluß unterlaufen werden.

  • PD
    Peter Dambowy

    Das Thema Leiharbeit wird schon seit geraumer Zeit von Vielen diskutiert und analysiert. Was einerseits, in Zeiten der Turbokapitalistischen Hegemonie bitter nötig ist, aber ich vermisse die dezidierte Anprangerung des Kernproblems. Ausgebeutete Leiharbeiter haben nämlich auch eine Würde. Die gewählten Volksvertreter in Berlin handeln leider nicht zum Schutze o.g., sondern laden die Unternehmer ein auf Ihr Freudentänze zu feiern.

    Na denn Prost!

  • C
    comahome

    Die Arbeiterverräter vom DGB haben grosse Klappe.

    Tarifverträge kündigen, dann gilt equal pay.

     

    weiterschlafen

  • T
    Turboschnecke1951

    Diese Armut, ist doch von gelb-schwarzen Politikern so gewollt.