piwik no script img

DGB-Vorstand zu Benefizgalas"Das hat was Obszönes"

Roter Teppich, exquisites Essen, viele Stars - nebenbei wird für einen guten Zweck gesammelt. Selbst Befürworter von Benefizgalas finden ihre Extravaganz bedenklich.

Sarah Connor bei "Ein Herz für Kinder": Häufig stehen bei Benefizgalas die Stars und nicht der gute Zweck im Mittelpunkt. Bild: dpa

BERLIN taz | Der dienstälteste deutsche Klatschreporter, Michael Graeter, hat Benefizgalas in Deutschland als „glatten Betrug“ bezeichnet. „Es ist in erster Linie Wohltat in eigener Sache“, argumentiert Graeter im „Streit der Woche“ der sonntaz. „Die Herrschaften, die solche Events ausrichten, leben doch eigentlich vom Benefiz-Geschäft und spenden selbst nichts.“ Zu solchen Festen würde er heute nicht mehr gehen, da er eitle Selbstdarstellung auf Kosten Schwacher und Notleidender nicht ertragen könne.

In den Wochen vor Weihnachten wird in Deutschland am meisten gespendet. In dieser Zeit finden eine Reihe glamouröser Benefizgalas statt, die Geld für gute Zwecke sammeln. Beispielsweise nahm Anfang November die Operngala der Deutschen Aids-Stiftung in Berlin 250.000 Euro ein und auf der Wolkenschieber Gala in Bremen wurden 140.000 Euro für Kinderhilfsorganisationen gesammelt.Gemeinsam ist diesen Galas aber gleichzeitig ihre Extravaganz: Auf der Operngala aßen die Gäste Delikatessen wie Damwild, Taschenkrebsfleisch und Jakobsmuscheln – in Bremen gab es ein "erlesenes Gänge-Menü von Spitzenköchen".

DGB-Vorstandsmitglied Annelie Buntenbach schreibt in der sonntaz, solche Veranstaltungen seien nicht zynisch. Prominente würden ungelöste Probleme in das öffentliche Bewusstsein bringen und für eine breitere Unterstützung werben.

Bild: taz

Den ganzen Streit der Woche lesen Sie in der sonntaz vom 21./22. November 2009 - zusammen mit der taz am Kiosk erhältlich.

Glamouröse Galas im Zeichen von Elend seien aber trotzdem befremdlich. „Natürlich hat es etwas Obszönes, wenn Stars und Millionäre mit Kaviar geködert werden müssen, um sich gegen den Hunger in der Welt zu engagieren“, stellt Buntenbach fest. „Ganz anders sind öffentliche Spendengalas. Die Tatsache dass Menschen von Ihrem Sofa aus so viel spenden, sollte so manchem Prominenten zu Demut gereichen.“

Auch taz.de-Leser Gerald Schleiwies findet Benefiz-Galas nicht zynisch, sondern notwendig. „Sie sind sie lediglich Ausdruck dessen, was heutzutage geleistet werden muss, damit in dieser 'Event Society'-Gesellschaft eine Botschaft überhaupt noch ankommt“, schreibt Schleiwies in der sonntaz. „Eigentlich ist es ja egal, ob die Prominenten überhaupt wissen, was sie da unterstützen, solange man dieser publicitygeilen Zielgruppe damit auch das Geld aus den Taschen leiern kann.“

Im Streit der Woche äußern sich auch die Präsidentin der Welthungerhilfe, Bärbel Dieckmann, die globalisierungskritische Autorin Hanna Poddig („Radikal Mutig“) und der taz.de-Leser Stefan Hoffmann.

taz lesen kann jede:r

Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen

Mehr zum Thema

6 Kommentare

 / 
  • B
    Bonnita

    Hier ein interessanter Beitrag zum Thema im Bonner Presseblog:

     

    http://bonner-presseblog.de/2013/05/27/die-barbel-dieckmann-gleichung-spd-wccb-whh/

  • SR
    Sören Roth

    Helfen ist ein schweres Handwerk!

     

    ... das stellten Freiwillige in unterschiedlichsten Situationen immerwieder fest.

    Sei es das Mitarbeiten bei einer Misereor oder Brot für die Welt - Aktion auf einem Kirchentag um "der guten Sache" einen möglichst hohen Betrag zukommen zu lassen, oder in irgendeiner anderen

    Weise, die persönliches Engagement fordert.

     

    Ob der Aufwand der hier promoteten Personen dem

    Eigenengagement unbekannter Helfer gleichkommt

    bleibt fraglich.

     

    Im Zweifelsfall möchte ich auf die Devise hinweisen:

     

    "Gutes Tun - und darüber reden."

     

    Doppelt soviel kommt dabei heraus wenn diese umgestellt würde und wie folgend heißen würde:

     

    Gutes Tun - und noch mehr gutes Tun!

  • B
    binsi

    Es gilt, die dahinterstehende Systematik zu verstehen:

     

    Menschen, die verbrecherisch viel ökonomisches Kapital besitzen, "spenden" (genau gesagt investieren sie es) geringe Anteile davon um sich dadurch symbolisches Kapital (also Anerkennung, Legitimität, Ehre, Bekanntheit...) zulegen zu können um ihr verbrecherisch hohes Kapital keinen Kritiken aussetzen zu müssen.

     

    Weil im Grunde ist es ganz einfach: Besäßen einige Leute nicht so viel ökonomisches Kapital, dann müsste man es auch nicht "spenden", da es zuvor den jetzt Armen/Notleidenden weggenommen wurde!

     

    Einfach mal ein bisschen Pierre Bourdieu lesen...

  • DB
    de Bum

    Ich frage mich immer ob besonders solle Gala-Veranstaltungen nötig sind. Eine Fernsehsendung kann ich ja in einem gewissen Rahmen und Umfang verstehen, aber solche Galaabende. Man kann sein Geld doch auch einfach so Spenden und gut ist die Sache. Es geht den meisten Leuten meiner Meinung nach doch nur darum gesehen zu werden und für Firmen ist das doch nur eine Marketingsache.

  • E
    Exkommunikator

    Bei zirka 2300 Teilnehmern der Berliner Operngala und einem Erlös von 250000€ ist das Ergebnis wirklich lächerlich wenn man überlegt was die Leute so verdienen die dort sitzen.

    Nen knappen "Hunni" spenden wenn man die Taschen eh so voll hat das man sich so eine Gala leisten kann ist schon mehr als lächerlich!

    Die Besucher bei solchen Galas sollten schon gezwungen werden mindestens den selben Betrag zu spenden den sie für ihre Eintrittskarte ausgegeben haben um auch nur annähernd als wohltätig gelten zu wollen!

  • R
    reblek

    "Für die Arbeit ihrer Soirees verlangen die Ladys natürlich keinen Cent." Das schreibt Graeter in der gedruckten taz. Bravo, die Soirees arbeiten und die Ladys verlangen nichts. Deutscher Sprack, schwerer Sprack.