DGB-VERTEILUNGSBERICHT: UNSERE SOZIALEN KATEGORIEN LÖSEN SICH AUF : Zwei Sorten Unternehmer
Die Gewerkschaften sagen es nicht zum ersten Mal: Die Einkommen aus Unternehmertätigkeit und Vermögen sind in den vergangenen zwei Jahrzehnten stark gestiegen, die Arbeitnehmereinkommen hingegen weniger. Die soziale Schere hat sich weiter geöffnet. Trotzdem gibt es im Moment keine starke linke Kraft, die sich für das Thema Umverteilung stark macht. Im Gegenteil: Forderungen einiger Grüner nach einer neuen Vermögensteuer werden von ihren Parteigenossen als „populistisch“ abgetan. Dabei dreht sich in Deutschland heute alles um die Verteilung – nur herrscht Verwirrung darüber, wer als privilegiert und wer als benachteiligt gelten darf.
Wer den DGB-Verteilungsbericht gegen den Strich liest, dem fällt auf, wie sich alte Kategorien allmählich auflösen. Zum Beispiel die des privilegierten Unternehmers: Es stimmt, die großen exportorientierten Konzerne konnten ihre Gewinne ausweiten; aber für mittelständische Betriebe, die nicht mal eben Firmenteile aus Deutschland auslagern können, hat sich die Ertragslage verschlechtert. Im Übrigen sind die Einkommen zwischen Selbstständigen höchst ungleich verteilt: Zwischen einem Zahnarzt und einem Döner-Brater liegen nun mal Welten.
Aber auch die Ungleichheit zwischen den Verdiensten der Beschäftigten hat zugenommen – „die Arbeitnehmer“ sind eine zunehmend heterogene Gruppe. Schlichte Verteilungsrezepte haben angesichts dessen ihre Haken: Wer etwa, wie viele Linke, mehr öffentliche Investitionen und damit eine höhere Staatsverschuldung fordert, begibt sich auf Glatteis. Die staatlichen Zinszahlungen erhöhen nämlich am Ende die Einkommen aus Privatvermögen gegenüber denen, die beispielsweise Bundesschatzbriefe kaufen. Und das ist eher die Mittel- als die Unterschicht.
Das ärmste Viertel der Haushalte dagegen hat kein Vermögen, sondern Schulden, die in den vergangenen Jahren noch gestiegen sind. Eine wichtige Verteilungsfrage stellt sich somit zwischen den Mittel- und Unterschichten. Kein Wunder, dass weder die Gewerkschaften noch die Grünen mit ihrer Orientierung auf bürgerliche Milieus diese Frage wirklich ansprechen wollen. BARBARA DRIBBUSCH