DFB-Elf siegt gegen Niederlande: Es ist die Gier!
Eine junge DFB-Nationalmannschaft schlug beim Nations-League-Spiel am Montag die Niederlande. Nicht nur Trainer Julian Nagelsmann ist begeistert.
Zwölf Monate und eine Heim-EM später stellt sich diese Frage nicht mehr. Schon dreieinhalb Stunden vor dem Nations-League-Spiel der DFB-Auswahl gegen die Niederlande am Montagabend in München postierten sich Fans an den U-Bahn-Ausgängen Richtung Arena und hielten kleine Pappschilder in die Höhe. „Suche Tickets“, stand darauf. Sie zieht wieder, die Nationalmannschaft. Verrückt!
Und es stimmt ja auch, es ist wirklich sehenswert, was die Mannschaft von Nagelsmann da bisweilen auf den Platz bringt. Nach dem 1:0 gegen die Niederlande war der Trainer selbst ganz begeistert, vor allem von der ersten Halbzeit der seinen. Das sei das Beste gewesen, was die deutsche Elf gespielt habe, seit er an der Linie steht. Das Gegenpressing war intensiv und erfolgreich, es gab viele frühe Balleroberungen, die Niederländer, die sich einer giftigen Mann-gegen-Mann-Verteidigung gegenübersahen, hatten nicht den Hauch einer Torchance, während sich die Deutschen ein ums andere Mal bis vor das Tor von Bart Verbruggen durcharbeiten konnten.
Warum das Spiel so gut funktioniert hat, obwohl da eine Mannschaft gewirkt hat, die zuvor noch nie gemeinsam aufgetreten ist und die wahrscheinlich so auch nie mehr zusammenspielen wird, war eine der großen Fragen des Abends. Jamie Leweling hat in seinem ersten Länderspiel gleich zwei Tore geschossen, von denen das eine merkwürdigerweise wegen einer von den Videoschiedsrichtern gesehenen Abseitsstellung nicht in die Wertung eingeflossen ist. Auch sonst hat sich der Stuttgarter als ballsichere Anspielstation hervorgetan. Torhüter Oliver Baumann, auch er ein Debütant, durfte kurz vor Ende der Partie eine veritable Glanzparade zeigen und war zuvor im Spielaufbau fehlerfrei geblieben. Und die jungen Kerle Angelo Stiller (23) und Aleksandar Pavlovic (20) gaben die Doppelsechs der Zukunft.
Hier sieht alles ungewohnt aus? Stimmt, seit Dienstag, 15.10.2024, hat die taz im Netz einen rundum erneuerten Auftritt. Damit stärken wir, was die taz seit Jahrzehnten auszeichnet: Themen setzen und laut sein. Alles zum Relaunch von taz.de, der Idee dahinter und der Umsetzung konkret lesen Sie hier.
Perfekter hätte es nicht sein können
Da hat viel funktioniert. In der ersten Hälfte sowieso, aber auch in der zweiten, in der die Niederländer nach einer Systemumstellung nicht mehr so leicht anzulaufen waren. Nach dem Führungstreffer in der 64. Minute zogen sich die Deutschen gar zurück und verlegten sich aufs Verteidigen und Kontern. Und siehe da! Auch das hat gut geklappt. „Perfekter hätte der Tag nicht sein können“, meinte Nagelsmann dazu nur. Etliche Fans müssen das genauso gesehen haben. „Die Nummer eins der Welt sind wir“, sangen sie, als hätten die Deutschen mit einem Gruppenspielsieg in einem Wettbewerb namens Nations League, der auch in seiner vierten Auflage die Herzen des Kontinents gewiss noch nicht erreicht hat, die Fußballwelt erobert.
Julian Nagelsmann hatte da so eine Idee, warum die DFB-Elf plötzlich so zündet. „Gier“ hatte er bei den Spielern festgestellt, wie er nach dem Spiel auf der Pressekonferenz sagte. Gier? War das nicht das Wort, das Jürgen Klopp, bis vergangenen Mittwoch Deutschlands liebster Fußballmensch, immer benutzt hat, um die Erfolge seiner Dortmunder Meisterschaften zu erklären?
Die Dortmunder sind für ihre Gier geliebt worden. „Ich hatte nie den Eindruck, dass wir ein Nationalmannschaftsspiel sehen und die Jungs haben keine Lust zu gewinnen“, so Nagelsmann. Und auch Kapitän Joshua Kimmich stellte heraus, dass alle „ihr Herz auf dem Platz gelassen“ hätten.
Aber woher kommt die Gier in einer Truppe, die einen Haufen ihrer Besten gerade verloren hat? Vor dem Spiel wurden Thomas Müller, Ilkay Gündogan, Manuel Neuer und Toni Kroos (in Abwesenheit) feierlich aus der Nationalmannschaft verabschiedet. Der Kampf um ihre Nachfolge, um feste Plätze im Team läuft auf Hochtouren.
Ein Leweling, der gar nicht nominiert worden wäre, wenn Jamal Musiala für das Länderspielfenster nicht verletzungsbedingt abgesagt hätte, der nie und nimmer in der Startelf gestanden hätte, wenn Deniz Undav fit gewesen wäre, muss schon einiges liefern, um überhaupt noch einmal berufen zu werden. Hat er.
Stiller und Pavlovic haben alles dafür getan, dass heute die Frage im Raum steht, ob sie vielleicht sogar besser sind als die erfahrene Doppelsechs mit Robert Andrich und Pascal Groß. Fast alle im Team haben Konkurrenz. Vielleicht ist es das.
taz lesen kann jede:r
Als Genossenschaft gehören wir unseren Leser:innen. Und unser Journalismus ist nicht nur 100 % konzernfrei, sondern auch kostenfrei zugänglich. Texte, die es nicht allen recht machen und Stimmen, die man woanders nicht hört – immer aus Überzeugung und hier auf taz.de ohne Paywall. Unsere Leser:innen müssen nichts bezahlen, wissen aber, dass guter, kritischer Journalismus nicht aus dem Nichts entsteht. Dafür sind wir sehr dankbar. Damit wir auch morgen noch unseren Journalismus machen können, brauchen wir mehr Unterstützung. Unser nächstes Ziel: 40.000 – und mit Ihrer Beteiligung können wir es schaffen. Setzen Sie ein Zeichen für die taz und für die Zukunft unseres Journalismus. Mit nur 5,- Euro sind Sie dabei! Jetzt unterstützen
meistkommentiert
Verkauf von E-Autos
Die Antriebswende braucht mehr Schwung
Außenministerin zu Besuch in China
Auf unmöglicher Mission in Peking
Plädoyer im Prozess zu Polizeigewalt
Tödliche Schüsse, geringe Strafforderung
Neuer Generalsekretär
Stures Weiter-so bei der FDP
Warnstreiks bei VW
Der Vorstand ist schuld
Olaf Scholz in der Ukraine
Nicht mit leeren Händen