DFB-Diktat für Dritte Fußball-Liga: Der große Graben

Die DFB-Führung erhält vom Verbandsparlament Unterstützung für die strittige Fortsetzung der 3. Liga. Präsident Keller agiert wenig sensibel.

Fußball-Manger wird durch den Zaun interviewt

Gefängnis der DFB-Direktiven: Teamchef Rene Klingbeil, Befürworter des Abbruchs, muss mitspielen Foto: Bild 13/imago

Der südbadische Gastronom Fritz Keller hat viele Jahre seines Lebens im wahrsten Sinne des Wortes auf der Sonnenseite zugebracht. Insofern wirkt nachvollziehbar, dass ein Fachmann des Fußballs und des Genusses sich wieder Zeiten wünscht, in denen „wir wieder mit einer Wurscht und Schorle am Platz stehen“.

Das Problem ist nur, dass solch romantische Reminiszenzen selten in die Zukunft weisen. In der Coronakrise hat auch der höchste Würdenträger des Deutschen Fußball-Bundes (DFB) feststellen müssen, dass sich in der Dritten Liga als der höchsten Spielklasse unter DFB-Obhut jeder selbst der Nächste ist. Weshalb nach dem eindeutigen Votum auf dem Außerordentlichen Bundestag für die Fortführung des Spielbetriebs der präsidiale Appell erklang: „Keine Tricks mehr und keine Verweigerungshaltung.“

Der DFB sieht sich demokratisch legitimiert, die Restsaison vom Pfingstwochenende bis zum 4. Juli in englischen Wochen durchzupeitschen – auch wenn Waldhof Mannheim die Abstimmung der Funktionäre als „indirekte Demokratie“ (Manager Markus Kompp) geißelte. Die Kurpfälzer fordern vom Verband gleich noch 79.000 Euro für die Umsetzung des Hygienekonzepts zurück. Drängender ist, ob überall gespielt werden kann. Generalsekretär Friedrich Curtius äußerte sich verhalten optimistisch, dass die noch fehlenden Genehmigungen aus einzelnen Bundesländern bis zum Wochenende vorliegen würden.

Die Problemfälle sind im Osten angesiedelt, beim ehemaligen Europapokalsieger 1. FC Magdeburg, Halleschen FC, FSV Zwickau oder Schlusslicht Carl-Zeiss Jena. In Sachsen-Anhalt sind vorerst bis Donnerstag Mannschaftstraining und Wettkämpfe verboten, in Thüringen gar bis zum 5. Juni. Weil die Stadt Jena keinen Trainings- und Spielbetrieb zulässt, hat Jena ein Quarantäne-Trainingslager in Leipzig bezogen, will offenbar nach Würzburg oder Meppen, möglicherweise auch Oberhausen oder Essen für das am Sonntag angesetzte Ostduell gegen den Chemnitzer FC ausweichen.

Anwalt gegen den DFB

Halle hat über ein Anwaltsschreiben den Dachverband aufgefordert, „gleiche Bedingungen für alle mit mindestens 14 Tagen Mannschaftstraining zu schaffen“. Die juristische Beantwortung solcher Klagen steht noch aus, die moralische Bewertung hat die DFB-Spitze schon vorgenommen. Vizepräsident Rainer Koch hatte „klare Kante“ gegen die Abbruch-Befürworter angekündigt. Zunächst gibt die Spielordnung nur das Recht, die Punkte dem Gegner zuzuschreiben, wenn ein Klub nicht antritt. Allerdings ist jetzt der DFB-Vorstand ermächtigt, bei einem Saisonabbruch über Auf- und Abstieg zu entscheiden.

Damit obliegt dem Verband am Ende die wichtigste Entscheidung. Keller findet das richtig. „Vielleicht sind wir zu demokratisch – und lassen zu viele Freiheiten.“ Würde man auf die Tabelle schauen, wisse man doch, was los ist: Jene Klubs wollen abbrechen, denen der Abstieg droht. Der Verbandschef äußerte laute Zweifel über „Landesverbände“, deren Landesregierungen „jetzt die große Öffnung“ planen. Ein Seitenhieb nach Thüringen.

Der 63-Jährige muss nur aufpassen, nicht alte Ost-West-Konflikte zu entfachen. Zähneknirschend hat Halle am Wochenende sein Quarantäne-Trainingslager im Münsterland bezogen. Zwickau, zum Re-Start beim KFC Uerdingen in der leeren Düsseldorfer Arena zu Gast, fürchtet in der Coronakrise den baldigen Ruin, erst recht beim Abstieg in die Regionalliga.

DFB-Präsident Fritz Keller

„Vielleicht sind wir zu demokratisch – und lassen zu viele Freiheiten“

In diesem speziellen Fall schlug Keller nach dem Bundestag den Bogen zu seiner eigenen Vergangenheit. „Das Risiko, dass man absteigt als Erstligist, Zweitligist oder Drittligist, muss man einkalkulieren als seriöses Unternehmen. Im Berufsfußball sowieso. Ich muss so viel auf die Kante legen, dass ich beim Abstieg nicht den Laden zumachen muss. Das habe ich bei meinem Verein über 25 Jahre verfolgt. Und wir haben es immer wieder geschafft, hochzukommen.“ Drei Mal ist der ehemalige Präsident des SC Freiburg abgestiegen.

Doch ist der zwischen Bundesliga und 2. Bundesliga pendelnde Sportclub wirklich die Vergleichsgröße? Der Graben zu den fünf Regionalligen ist der größte im deutschen Fußball. RB Leipzig hatte einst ein zweitligataugliches Team zusammen, und schaffte nur zeitverzögert den Sprung in die Dritte Liga.

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