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Archiv-Artikel

DER VOLLBEITRAG DER RENTNER ZUR PFLEGEVERSICHERUNG IST ÜBERFÄLLIG Kein Sozial-, sondern Privilegienabbau

„Unverantwortliche Rentenkürzung und Sozialkahlschlag!“, zetern Gewerkschaften, Rentnerverbände und CDU über die Rentenbeschlüsse der Bundesregierung. Zu Unrecht: Insbesondere die volle Beitragsbemessung von Rentnern zur Pflegeversicherung stellt einen überfälligen Abbau von Privilegien gut situierter Senioren dar. Sie löst die mittelfristigen Rentenprobleme nicht, bildet aber einen Beitrag zur Generationengerechtigkeit.

Mit seit der 1995 geltenden Pflegeversicherung wollte man Pflegebedürftige und ihre Erben generell vor „wirtschaftlicher Überforderung“ schützen. Doch die heutige Rentnergeneration streicht nun kräftige Einführungsgewinne ein: In Erwerbszeiten haben sie keine oder nur minimale Beiträge entrichtet, heute können sie aber alle Leistungen der Pflegeversicherung in Anspruch nehmen. Selbst als Rentner zahlen sie bislang nur den halben Beitrag, die andere Hälfte übernimmt die gesetzliche Rentenversicherung. Man tat so, als sei der Sozialstaat der Arbeitgeber der Rentner.

Weil die Pflege für den Opa nicht zu Lasten des Erbvermögens der Enkel gehen durfte, kann die Pflegeversicherung künftig aber nicht einmal ein Minimum garantieren. Dabei verfügt die Hälfte der über 65-Jährigen über Immobilien, und ein Großteil des Geldvermögens konzentriert sich in ihren Händen. Während verarmte Pflegebedürftige nur mit der Satt-und-sauber-Pflege der Pflegeversicherung abgespeist werden, können gut betuchte Senioren im Pflegefall problemlos privat finanzierte Zusatzleistungen einkaufen. Wenn also alle Senioren eine staatliche Basispflegegarantie erhalten, obwohl viele darauf nicht angewiesen sind, ist es richtig, die heutige Rentnergeneration angemessen an ihren Pflegekosten zu beteiligen.

Ungelöst bleibt das Problem, wie künftig ein Mindestmaß an menschenwürdiger Pflege im Alter für das wachsende Heer Altersarmer gesichert werden kann. Die Gefahr besteht, dass die Sozialhilfe wie schon vor der Einführung der Pflegeversicherung wiederum als Auffangbecken zur Absicherung eines normalen Lebensrisikos herangezogen wird – mit allen daraus folgenden Finanzierungs- und Legitimationsproblemen. HARRY KUNZ

Fachjournalist für Sozial- und Gesundheitspolitik