DER VERMITTLUNGSAUSSCHUSS ÜBERSCHÄTZT SEINE BEDEUTUNG : Weniger als Deutschlands Zukunft
Es ist an der Zeit, kurz die Luft anzuhalten und sich wieder zu beruhigen. Natürlich ist zu verstehen – wer wäre nicht eitel –, dass sich die Mitglieder im Vermittlungsausschuss wichtig finden und ihre Bedeutung zelebrieren. Wer ihnen zuhört, muss glauben, dass sie über Deutschlands Schicksal entscheiden. Aber es geht auch nüchterner.
Gestern erinnerten Ökonomen nochmals an ihr Herbstgutachten. Im Oktober hatten die sechs führenden Wirtschaftsforschungsinstitute prognostiziert, dass die deutsche Wirtschaft im nächsten Jahr um 1,7 Prozent wachsen werde. Das wäre erfreulich für die Regierung – aber nicht ihre Leistung. Denn die Steuer- und Arbeitsmarktreformen würden sich kaum auswirken, präzisierten die Forscher. Es mag kränkend für deutsche Politiker sein, doch der eigentliche Konjunkturmotor ist momentan der Export.
Es ist schon bizarr: Seit nunmehr neun Monaten sind die Ministerien, die Abgeordneten, der Bundesrat sowie diverse Parteitage damit beschäftigt, die Agenda 2010 zu formulieren, zu kritisieren und zu verändern. Und dann soll es ökonomisch fast egal sein, ob sich der Vermittlungsausschuss nun einigt oder nicht! Kein Beschäftigungszweig scheint derart ineffizient zu wirtschaften wie die Politik. Maximaler Input bewirkt minimalen Output? So war das Minimax-Prinzip nie gemeint.
Ist Politik also nur ein Mythos, eine ermüdende Beschäftigungstherapie für Volksvertreter? Zumindest beim Vermittlungausschuss trifft dies zu: Dort ist die Politik zur Inszenierung heruntergekommen. Paradoxerweise wurde sie nicht zur reinen Show, weil man zu sehr gestritten hätte – sondern weil man zu sehr übereinstimmte. Beim lauten Gerangel fiel die stille Übereinkunft nicht auf: Regierung und Opposition waren sich einig, die zentralen Fragen gar nicht erst zu stellen.
Eine dieser Fragen ist: Was hat es zu bedeuten, dass mit oder ohne Hartz-Reformen mit einem stabilen Sockel von vier Millionen Arbeitslosen zu rechnen ist? Vermittlungsausschuss hin oder her – bisher ist Regierung und Opposition dazu nur einfallslos eingefallen, vor allem auf die „Eigeninitiative“ der Betroffenen zu setzen. So macht sich die Politik tatsächlich überflüssig. ULRIKE HERRMANN