: DER TSCHETSCHENIEN-KONFLIKT
Der Tschetschenienkrieg ist inzwischen der längste Krieg in Europa seit dem Zweiten Weltkrieg und neben dem in Exjugoslawien auch einer der blutigsten. Zwischen 1994 und 2003 sind von den eine Million Einwohnern der Kaukasusrepublik schätzungsweise 100.000 getötet worden. Hinzu kommen mehrere zehntausend Tote bei der russischen Armee und den tschetschenischen Untergrundkämpfern. Über 200.000 weitere Menschen sind derzeit Vertriebene, entweder in Tschetschenien selbst oder in anderen Teilen Russlands.
Der politische Konflikt geht darauf zurück, dass die Republik zwar Teil der Russischen Förderation ist, aber beim Zerfall der Sowjetunion Anfang der 90er-Jahren genauso nach Unabhängigkeit strebte wie die nicht zu Russland gehörenden Kaukasusrepubliken Georgien, Aserbaidschan und Armenien. Im Oktober 1991 rief Tschetscheniens damaliger Präsident Dudajew die Unabhägngigkeit aus, faktisch war die Republik danach selbstständig. Russlands Armee marschierte im November 1994 in Tschetschenien ein; es folgte ein blutiger Krieg, der im August 1996 per Friedensabkommen beendet wurde. 1997 wurde vereinbart, dass der zukünftige Status Tschetscheniens 2002 geklärt werden sollte; zugleich wurde bei international überwachten Wahlen Maskhadow zum Präsidenten gewählt.
Der aktuelle Krieg begann mit dem Wiedereinmarsch der russischen Armee im Oktober 1999. Zuvor waren radikale Kämpfer aus Tschetschenien ins benachbarten Dagestan eingedrungen, und eine Reihe mysteriöser Bombenanschläge erschütterte Russland und wurde tschetschenischen Islamisten zugeschrieben.
Die jüngsten Terroranschläge sind Folge davon, dass Russland den konventionellen Krieg in Tschetschenien gewonnen hat, tschetschenische Kämpfer aber als Guerilla weiterkämpfen und sich radikalisieren. Am spektakulärsten war bisher die Besetzung des Moskauer Dubrowka-Theaters im Oktober 2002 durch tschetschenische Geiselnehmer. Die Erstürmung des Theaters durch russische Spezialkräfte per Gaseinsatz forderte offiziell 129 Opfer; eine unabhängige Untersuchung gab es nicht. Im August 2004 wurden zwei russische Passagierflugzeuge vermutlich durch Selbstmordattentäterinnen in der Luft gesprengt; in Moskau gab es einen Selbstmordanschlag; nur einen Tag darauf folgte die jetzt beendete Schulbesetzung. D.J.