„DER SPIEGEL“ ERSCHWERT DIE DEBATTE ÜBER DEN BOMBENKRIEG : Hohle Metaphern, falsche Töne
Heute macht der Spiegel mit einer neuen Serie auf: „Der Bombenkrieg gegen die Deutschen“. Die Städtebombardierungen im Zweiten Weltkrieg sind zum Historienthema der Saison geworden. Dafür hat im vergangenen November vor allem Jörg Friedrichs „Der Brand“ gesorgt: Die britische Presse durfte sich daran abarbeiten, ob Winston Churchill denn nun darin als Kriegsverbrecher bezeichnet wird oder nicht. Woran sich wiederum die deutsche Presse abarbeiten konnte.
Schon 1997 hatte der Schriftsteller W. G. Sebald beklagt, dass die Bombennächte des Zweiten Weltkriegs sich nicht in der deutschen Literatur niedergeschlagen hätten. Vergangenes Jahr hieß es dann, Günter Grass habe mit „Im Krebsgang“ endlich das Drama der Vertreibung aus dem Osten in Literatur überführt. Genau die wiederkehrende Behauptung, etwas werde „endlich“ gesagt, erschwert jedoch unnützerweise die historische Debatte.
Die Diskussionsteilnehmer führen sich als Tabubrecher auf. Sie unterstellen, das Leid der deutschen Zivilbevölkerung im Zweiten Weltkrieg sei bisher mit Absicht nicht gewürdigt worden – weder durch die Wissenschaft noch durch Literatur und Film. Der Subtext ist, über das Grauen in den KZs, über den Horror in der Sowjetunion haben wir genug Eindrückliches gelesen. Jetzt wird es Zeit zu berichten, wie im Hamburger Feuersturm 1943 Menschen „auf die Größe von Kommissbroten schrumpfen“, um den Spiegel zu zitieren.
Solche Metaphern klingen hohl. Der Ton stimmt nicht. Das Problem ist nicht, sich „endlich“ dem Leid der Zivilbevölkerung zuzuwenden. Das Problem ist, dass die Autoren den Anspruch haben, gegen eine linke Front von Luftkriegsleid-Leugnern anzuschreiben, die es außerhalb ihrer Köpfe gar nicht gibt. Dazu kommt, dass sie unbedingt eine Nachricht verkaufen wollen: „Wir sagen es als Erste!“ Diese Pose ist nicht berechtigt, war es wahrscheinlich nie, und außerdem führt sie auf ein ganz falsches Gleis. Sie verhindert die Sensibilität, die es bräuchte, um eben nicht Leichenberge miteinander zu vergleichen und Tote gegeneinander aufzurechnen. ULRIKE WINKELMANN