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Archiv-Artikel

DER PROZESS GEGEN KAPLAN WAR FAST FAIR. EINE REVISION IST NÖTIG Zweifelhafte Beweise

Hat Metin Kaplan, der islamistische Sektenführer aus Köln, in Istanbul einen fairen Prozess bekommen? Die Frage lässt sich nicht so leicht beantworten. Als völlig unbegründet erwiesen sich die zahlreichen Befürchtungen in Deutschland, dass Kaplan nach einer Auslieferung misshandelt oder gefoltert würde.

Regelmäßig wurde er medizinisch untersucht und wegen seines Krebsleidens auch stationär behandelt. Die Betreuung durch seine Anwälte war so, wie es sich die meisten Untersuchungshäftlinge in türkischen Gefängnissen wünschen. Auch während der Gerichtsverhandlung genügte es, dass Kaplan darauf hinwies, in Deutschland sei das auch so gewesen, um sich immer mal wieder zur Beratung mit seinen Anwälten zurückziehen zu können. Hier funktionierte der Rechtsstaat.

Schwieriger sieht es mit der Beweisführung gegen ihn aus. Da Kaplan keinen Hehl daraus macht, dass er einen Gottesstaat in der Türkei anstrebt, versuchte das Gericht erst gar nicht, ihm seine Beteiligung an einem bewaffneten Umsturzversuch wirklich zu beweisen. Außer seinen allgemeinen Hasstiraden hat das Gericht keinen handfesten Beleg, um ihn der Anstiftung zu einem Terrorakt zu überführen.

Um ein rechtskräftiges Urteil aus dem Jahr 1998 nicht in Zweifel zu ziehen, hat es das Gericht zudem abgelehnt, erneut die Zeugen vorzuladen, die Kaplan seinerzeit belastet haben: seine Anhänger, die vermutlich unter Folter ausgesagt haben. Das macht die Verurteilung Kaplans tatsächlich sehr angreifbar. Zweifellos ist er ein islamischer Fundamentalist, doch ist er deshalb ein Terrorist? Für die Glaubwürdigkeit der türkischen Justiz wäre es zu wünschen, dass der Revision Kaplans stattgegeben wird.

In einem erneuten Prozess müsste dann eine echte Beweiserhebung stattfinden, die Kaplan entweder glaubhaft überführt – oder aber der Fundamentalist wird lediglich wegen Volksverhetzung verurteilt. Das jetzige Urteil sieht nach richterlicher Willkür gegen einen erklärten Staatsfeind aus.

JÜRGEN GOTTSCHLICH