DER LETTISCHE WAHLSIEGER MUSS VERSÖHNUNG MIT DEN RUSSEN SUCHEN: Neuer Anfang für die „Neue Zeit“
Dem Exzentralbankchef und Wahlgewinner Einars Repse steht keine leichte Aufgabe bevor: Er soll im lettischen Parlament eine regierungsfähige Mehrheit finden, obwohl er mit der Hälfte der dort vertretenen Parteien laut seiner Wahlkampfaussagen eigentlich nicht koalieren dürfte. Die Parteien, die bislang die Regierung bildeten, sah er als korrupt und nicht koalitionsfähig an, vor allem die Volkspartei von Andris Skele. Doch nach den ersten Aussagen von Repse nach Auszählung der Stimmen scheint er eine Mitte-rechts-Koalition anzustreben. Die bekäme ohne die Volkspartei aber keine Mehrheit. Mit denen, die man im Wahlkampf als Banditen beschimpfte, vereint am Kabinettstisch sitzen? Das Vertrauen, das nahezu ein Viertel der LettInnen in Repse und seine „Neue Zeit“ gesetzt hat, könnte schnell dahinschmelzen.
Zumal Repse durchaus eine Koalitionsalternative hätte: Die Menschenrechtspartei, die überraschend zweitstärkste Kraft wurde. Sie vertritt als Einzige die Interessen der russischen Minderheit im Lande und wird von Repse als nicht koalitionsfähig abgetan: Sie sei zu sehr in der kommunistischen Vergangenheit verankert. Unter ihrem Dach sammeln sich wirklich die letzten der Ewiggestrigen aus Lettlands ehemaliger KP. Doch Analysen zeigen, dass diesmal mehr als die Hälfte ihrer Stimmen von LettInnen kommt, die offenbar endlich eine Normalisierung des Verhältnisses zur russischen Minderheit wünschen. Repse könnte ein Zeichen setzen und die Anerkennung der RussInnen als Minderheitsgruppe mit Recht auf Bewahrung ihrer Sprache und Kultur und gleichzeitiger Anerkennung voller staatsbürgerlicher Rechte zur offiziellen Regierungspolitik machen. Zumal es neben seiner „Neuen Zeit“ kaum eine politische Gruppe im Lande gibt, die so uneingeschränkt eine EU-Mitgliedschaft wünscht wie „Menschenrechtspartei“ und RussInnen. Mit der Akzeptierung eines Nato-Beitritts hat die Partei darüber hinaus kürzlich das letzte Hindernis für ihre Regierungsfähigkeit beseitigt. Repse könnte mit einer solchen „Versöhnungskoalition“ beweisen, dass Lettland nicht nur wirtschaftlich, sondern auch gesellschaftlich reif ist für eine Zukunft in der Europäischen Union.
REINHARD WOLFF
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