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Archiv-Artikel

DER KURFÜRSTENDAMM IST KEIN POTEMKINSCHES DORF MIT WELTSTADTSIMULATIONEN WIE DIE FRIEDRICHSTRASSE Hier ist alles echt und lebt

Die Leute vom Kurfürstendamm

VON ESTHER SLEVOGT

Man möchte mal eine Lanze für den Kurfürstendamm brechen. Jawohl, den Kurfürstendamm, nicht den Ku’damm, wie ihn seine Vermarkter immer nennen, deren Vorstellungskraft selten über das alte piefige Westberlin-Image hinausreicht, das das Bild von der Straße noch immer prägt. Die doch eine der wenigen echten Straßen in der Stadt ist.

Der Kurfürstendamm ist kein Potemkinsches Dorf mit Weltstadtsimulationen wie die Friedrichstraße, wo das französische Luxuslabel Hermès seinen Laden mangels Kundschaft gerade wieder dichtgemacht hat, während die Zweigstelle am Kurfürstendamm ausgebaut wird. Nun kann man einwenden: Wozu braucht man Hermès? Leisten kann man sich die Taschen eh nicht, die gelegentlich so viel kosten, wie ein Arbeiter im Jahr verdient. Andererseits: Zur Weltstadt gehört eben der Luxus. Sonst funktionieren auch die hipperen Gegenden nicht, die dieses Gefälle brauchen. Außerdem könnte man dann auch nach Finsterwalde oder Bottrop ziehen.

Bernhard von Hammerstein kennt sich aus mit den Finanzströmen, die gerade die City-West beleben. Sein Büro befindet sich in einer jener Altbauwohnungen, in deren endlosen Zimmerfluchten das neue Großbürgertum des Kaiserreichs residierte – als am Ende des 19. Jahrhunderts die Geschichte des Kurfürstendamms begann. Von Hammersteins Firma Westend Consult ist für das Controlling, also die Überwachung der Finanzen, des derzeit größten Bauprojekts der Gegend zuständig. Der Zoofenster-Tower wächst am Himmel über dem Kurfürstendamm gerade seiner Vollendung entgegen. Seine Erbauung war eine Art Initialzündung für weitere Großprojekte in der Umgebung. Aus Sicht von Hammersteins ist der spektakuläre Umbau des Bikini-Hauses ebenso vom Mut der Investoren des Zoofensters angestoßen worden wie die Pläne für den Schimmelpfeng-Tower, der am Kurfürstendamm, Ecke Kantstraße entstehen soll. Im Augenblick wird allerdings noch gerätselt, wie der Hauptmieter des Zoofensters, das Luxushotel Waldorf-Astoria, mit der Tatsache umgehen wird, dass man vom Frühstücksrestaurant direkt auf die Schaufenster des Beate-Uhse-Museums gegenüber blicken wird.

Von Hammerstein kennt den Kurfürstendamm, seit er 1987 nach dem Studium im Büro der Architekten Baller & Baller seinen ersten Job antrat. Es befand sich damals zwischen Uhland- und Fasanenstraße. Später hat von Hammerstein das Büro von Daniel Libeskind geleitet, der am Olivaer Platz wohnte, während er das Jüdische Museum baute. Schon damals mochte Hammerstein die Straße sehr, auch wenn er bedauert, dass sich viel Leben noch immer eher versteckt in den Seitenstraßen abspielt. „In Paris ist das anders. Da sitzen die Leute am liebsten mitten im Metropolentreiben der großen Boulevards.“ Das kann ja noch kommen, wenn der Boom erst richtig durchgeschlagen hat.

Und doch, sagt von Hammerstein, sind es eher die weniger sichtbaren Maßnahmen, die im Augenblick das Revival des Kurfürstendamms befördern: die sukzessive Renovierung der Altbauten, die Anpassung der Räume an moderne Bürostandards. Das führe dazu, dass viele, die nach 1989, dem allgemeinen Zeitgeist folgend, nach Mitte gezogen seien, nun an den traditionsreichen Boulevard zurückkehrten. Der sei eben ein attraktiver Standort. „Die Straße funktioniert, hier ist es schön, alles ist echt und lebt. Und in der Brasserie Austeria gibt es den besten Fisch in der Stadt.“