DER INTERNATIONALE GERICHTSHOF IST EINE CHANCE FÜR ZENTRALAFRIKA : Die Peripherie rückt ins Zentrum
Der Internationale Strafgerichtshof ist zwar noch nicht konstituiert, aber eine der in ihn gesetzten Erwartungen erfüllt er jetzt schon: Er verleiht Bevölkerungen Gehör, die ansonsten in der Weltpolitik keine Rolle spielen. Der Bürgerkrieg in der Zentralafrikanischen Republik, einer der obskursten Konflikte der Welt, ist das Thema der ersten formellen Klageanstrengung vor dem Gerichtshof.
Ausgerechnet die Weltregion, in der Staatszerfall am weitesten gediehen scheint, wendet sich also als Erste der höheren internationalen Gerichtsbarkeit zu. Frei von jeder Hoffnung auf nationale Instanzen appellieren die Menschenrechtler direkt ans Weltgewissen. Sicher nicht ohne politische Hintergedanken, vor allem im Falle des Kongolesen Bemba, den im anlaufenden Friedensprozess seines Landes viele ebenso brutale Rivalen gerne beschädigen wollen. Aber wenn die Ankläger des Gerichtshofs sich der Klage annehmen sollten und diese dann – wie zu erwarten ist – auch auf den Kongo ausgeweitet werden würde, könnte dies vor Ort mehr bewirken als sämtliche Friedensprozesse der letzten Jahre zusammengenommen. Es müsste nämlich der ganze Apparat juristischer Ermittlungen folgen: Recherche an den Orten des Geschehens, Nachforschungen über den Verbleib von Menschen und den Ablauf von Kriegshandlungen. Bisher warten die betroffenen Menschen vergeblich darauf, dass jemand sich für ihr Schicksal interessiert. Vermutlich müssten diese Untersuchungen auch sorgfältiger ablaufen als im Falle des UN-Tribunals zum Genozid in Ruanda, wo sich aufgrund der anhaltenden politischen Verwicklungen und der vorherigen Diskreditierung der UNO die Aufarbeitung auf den Austausch von Erinnerungen beschränkt.
Für den Gerichtshof ist diese Klage eine große Herausforderung – samt dem Risiko, politisch instrumentalisiert zu werden. Aber in der Meisterung dieser Herausforderung steckt eine Chance. Wenn einmal die Weltöffentlichkeit die politischen Machenschaften der lokalen Warlords einzuschätzen weiß, ist eine wirksame Aufarbeitung vergangener Verbrechen denkbar. DOMINIC JOHNSON