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Archiv-Artikel

DER GIRLS DAY EBNET MÄDCHEN WEGE – UND IST EINE CHANCE FÜR JUNGEN Die Freiheit, anders zu sein

Frauen, die sich in der Jugend für Mathe, Physik und überhaupt alle Arten von Systemen interessierten, erinnern sich noch gut an den Terror. An diese heimliche Angst, kein „richtiges Mädchen“ zu sein, nur weil sie mit Hilfe des „Kosmos Elektromann“ Klingeln bauten und mit Hilfe des Chemiebaukastens Geheimtinte mischten. Lagen sie dann noch in Mathe ziemlich weit vorne und grübelten nachts über die vierte Dimension nach, wurde schnell ermahnt: „Naturwissenschaften! Aber da ist die männliche Konkurrenz doch so groß!“

So war sie, die Kindheit in den 60er-Jahren – doch daran hat sich heute Gott sei Dank einiges geändert. Man mag vielleicht hier und da ein bisschen die Augen verdrehen, wenn Politik und Wirtschaft schon wieder wie heute am Girls Day promoten: „Mehr Frauen in technische Berufe!“ Wo doch alle wissen, dass die Mehrheit der Frauen sich nach wie vor auf wenige Berufsfelder beschränkt. Doch um die weibliche Mehrheit geht es eben genau nicht. Es geht um die Minderheit. Um jene begabten Mädchen, die bestimmte Berufe oder Studienrichtungen nicht wählen, weil sie Angst haben, dort keinen Identitätsgewinn als schlaues, attraktives Mädchen zu erlangen, sondern sogar einen Identitätsverlust als vermeintlich burschikoses, geschlechtsloses Wesen erleiden zu müssen. Wenn nur einige Mädchen durch Aktionen wie den Girls Day zu ihrem Wunschberuf ermutigt werden, hat sich die Sache schon gelohnt.

Die Idee des Girls Day kommt übrigens aus den USA. In der dortigen, hochindividualisierten Wettbewerbsgesellschaft gilt es als Sünde, ein Talent zu verschwenden, ganz egal ob ein Junge oder ein Mädchen darüber verfügt. Deswegen sitzen begabte Frauen dort auch eher in Computerfirmen oder arbeiten sich in Führungspositionen hoch. Mit Feminismus hat das erst mal nichts zu tun.

Und was ist mit den Jungs? Mit der Minderheit der Jungs, die sich für „unmännliche“ Berufe, etwa in Schule oder Kita, interessieren, aber dabei Angst haben, als Weichei zu gelten? Auch hier ist klar: Jungs, die soziale Begabungen haben, muss jeder Weg geebnet werden. Kitas und Schulen, promotet einen Boys Day! Es lebe die Differenz. Egal in welchem Geschlecht. BARBARA DRIBBUSCH