DER FRANKENWALZER : Kollegen schunkeln
Ein Büro in Mitte. Es wäre stockduster, hätte nicht irgendein Kauz zur Wendezeit, als kein Bauamt danach fragte, Fenster in die Brandmauer geklopft. Die ehemalige Fabrik mit ihrem Backsteincharme ist längst saniert. Von Süden dringen die ersten warmen Strahlen des Jahres in die auf Effizienz getrimmten Räume. Drinnen herrscht ein leicht ironisch eingefärbter Umgangston – wie man ihn von vielen Büros und Tippgemeinschaften der Gegend kennt. Man spielt sich gekonnt die Bälle zu. Niemand will Spielverderber sein oder gar Pedant. Das Betriebsklima ist fast britisch zu nennen – auch wenn hin und wieder über die realen Engländer, die schon frühmorgens die besten Plätze in den Cafés besetzen, zumindest in „Anführungsstrichen“ geschimpft wird. Denken Sie sich, liebe LeserIn, die entsprechende Handbewegung dazu.
Doch heute ist der Belegschaft nicht zum Scherzen zumute. Der Abschied der allseits geschätzten Kollegin M. steht an. Keiner denkt an Arbeit, obwohl der Redaktionsschluss naht. Wir unterhalten uns lange im schmalen Flur. Über Zukunftsperspektiven, Bewerbungen und Buchideen von M. Eine erfahrene Kollegin sagt: Wenn ihr mich fragt – M. könnte alles machen! Auslandskorrespondentin, Tiefenrecherche oder die Konzeption ganz neuer, heute unvorstellbarer Medien. M. steht mit einem lachenden und einem weinenden Auge am Ende des Flurs.
Bald ist Feierabend. Ihre Kollegen werden ihre Sachen packen, M. zum Abschied umarmen, mancher hat ein Geschenk in knittriges Papier geschlagen – in der Mittagspause besorgt, der Buchladen ist nicht weit. So könnte die Geschichte wenig glamourös zu Ende gehen. Doch auf einmal stampft M. auf. Ich lade euch alle in Klärchens Ballhaus ein, da gibt es heute Frankenwalzer. Kein Paartanz, verspricht sie, da können auch Kollegen gemeinsam schunkeln. So sollte es sein. TIMO BERGER