DER DROGENBEAUFTRAGTEN FEHLT EINE STRATEGIE FÜR KOMATRINKER : Reiten auf der Alarmismus-Welle
Es gibt immer mehr junge „Komatrinker“ – diese Nachricht der Drogenbeauftragten Sabine Bätzing klingt alarmierend. Die Zahl der Jugendlichen, die sich so lange betrinken, bis sie besinnungslos im Krankenhaus landen, ist in den vergangenen fünf Jahren von 12.000 auf 18.000 Fälle pro Jahr gestiegen. Das ist eine hässliche Zahl, denn ein solch nächtlicher Ausflug kann zu schwerwiegenden gesundheitlichen Schäden führen, einige junge Männer sind nach ihren Sauftouren gestorben.
Umso erschreckender ist die Präventionsstrategie, die Bätzing mit ihrem Modellprojekts HaLT verfolgt. Es soll die jungen Kampftrinker unter anderem mit Kletter- oder Tauchkursen davon abbringen, noch einmal ihr Leben in einer Kneipe aufs Spiel zu setzen. Dieser Versuch ist allzu naiv, dies ließ sogar der wissenschaftliche Begleiter des Projekts durchblicken. Anstatt beim Konsumenten anzusetzen, sollte der Staat sich lieber die Produzenten vornehmen. Die Alkoholindustrie erschließt sich immer neue Absatzmärkte und suggeriert mit aggressiver Werbung, sie verkaufe keine Droge, sondern ein Genussmittel oder Erfrischungsgetränk. Eine Ausweitung des Werbeverbots für Alkohol wäre also eine erste Maßnahme – aber da folgen Bundesregierungen jeglicher Couleur bekanntlich lieber den Lobbyinteressen der entsprechenden Industrien. Die Torpedierung des Tabakwerbeverbots auf europäischer Ebene ist da noch in schlechter Erinnerung.
Bätzing trifft aber noch ein weiterer Vorwurf: Indem sie die Komatrinker in den Blickpunkt der Öffentlichkeit rückt, blendet sie eine andere Zahl aus: Der Alkoholkonsum von Jugendlichen ist insgesamt rückläufig. Das heißt: Der verantwortungsvolle Umgang mit der Flüssigdroge steigt. Das sind gute Signale, die in der Öffentlichkeit leider keine Beachtung finden. Es würde einer Drogenbeauftragten der Bundesregierung gut zu Gesicht stehen, auf diesen Trend zu verweisen. Alarmistisch auf eine besonders betroffene Minderheit zu verweisen und deren Problem dann mit lauen Mitteln bekämpfen, ist eine wenig beeindruckende Strategie. VEIT MEDICK